Angler gegen Nutrias: „Wir werden diesen Kampf verlieren“

Gar nicht süß: Der Vorsitzende des Anglervereins Brockhagen-Vennort setzt sich gegen einen übermächtigen Feind zu Wehr: das Nutria. Der Nager droht das ökologische Gleichgewicht des Vennorter Sees zu zerstören

Niedlich? Fakt ist, Nutrias verursachen Probleme. Foto: Timo Sack | © Timo Sack

Jonas Damme
06.06.2019 | 06.06.2019, 05:03

Steinhagen-Brockhagen. „Ach wie süß!", denkt so mancher Passant, wenn er an einem Gewässer im Altkreis eine der possierlichen, wenig scheuen Biberratten sieht. Ekelig, allein schon wegen des rattenhaften Namens, finden sie andere. Dabei ist das Nutria mit der Ratte genauso wenig verwandt, wie mit dem Biber, sondern ein Großcousin des Meerschweinchens.

Weniger umstritten als der Niedlichkeitsfaktor ist die biologische Bedeutung des Tieres für die Region. Nutrias sind sogenannte »Neozoen«, also eine eingeschleppte Tierart. Die großen Nagetiere stammen ursprünglich aus den gemäßigten Breiten Südamerikas. Hierzulande haben sie etwa um 1930 ihren Siegeszug angetreten – mit teils verheerenden Folgen für die heimische Flora und Fauna.

Nutrias machen viel Arbeit: Angler Hans Dengler am Vennorter See. Die Einfriedungen im Wasser schützen Seerosen und Co. vor den gefräßigen Nagetieren. Durch die Pflanzen sollen Fische geschützt und das Wasser gereinigt werden. Fotos: Jonas Damme - © Jonas Damme
Nutrias machen viel Arbeit: Angler Hans Dengler am Vennorter See. Die Einfriedungen im Wasser schützen Seerosen und Co. vor den gefräßigen Nagetieren. Durch die Pflanzen sollen Fische geschützt und das Wasser gereinigt werden. Fotos: Jonas Damme (© Jonas Damme)

Hans Dengler, Vorsitzender des kleinen Angelvereins Brockhagen-Vennort, führt seit Jahren einen Kampf gegen die Nager. Und der scheint fast aussichtslos. „Die Nutrias richten immensen Schaden an", berichtet der passionierte Angler, dessen Verein den 8,7 Hektar großen Vennorter See gepachtet hat. Sein Problem: Die dämmerungsaktiven Vegetarier ernähren sich bevorzugt von jungen Trieben von Wasserpflanzen. „Sie sind Feinschmecker", so Dengler. Besonders gerne knabbern sie die Triebe von Seerosen, Rohrkolben und anderen Wasserpflanzen ab. Und das, wie bei Pflanzenfressern üblich, in rauen Mengen.

Leergeräubert: Sobald eine Einfriedung beschädigt wird, fressen die Nutrias die Wasserpflanzen – so wie hier ein Seerosenfeld. - © Jonas Damme
Leergeräubert: Sobald eine Einfriedung beschädigt wird, fressen die Nutrias die Wasserpflanzen – so wie hier ein Seerosenfeld. (© Jonas Damme)

Große Seerosenfelder waren "einfach weg"

Einst gab es viele Seerosen im ehemaligen Baggersee. „Aber die großen Felder waren irgendwann einfach weg", so der Angler. Die Vereinsmitglieder überlegten, was los sein könnte. Eingangs ging man davon aus, dass die Pflanzen Probleme mit dem Sandboden hätten. Nach ersten Sichtungen wurde es dann klar. „Die Nutrias haben einfach alles abgefressen."

Seit mehreren Jahren tummeln sich die Neozoen im See. Angler wollen schon fünf Tiere gleichzeitig gesehen haben. Für die Biberratten ist das große Gewässer samt Schonbereich ein dankbares Rückzugsgebiet.

Damit stellen sie allerdings die Flora und Fauna des Sees auf den Kopf. Denn die Wasserpflanzen werden dringend benötigt. „Zum Schutz der Jungfische", wie Hans Dengler erklärt. Sowohl zur Eiablage, als auch zur Aufzucht brauchen die Süßwasserfische geschützte Laichplätze. „Junge Zander können nur wenig Licht ab, sonst werden sie blind", so Dengler. Gleichzeitig filtern die Wasserpflanzen das Seewasser.

Für Fische und Wasserpflanzen eine Katastrophe

Mit anderen Worten: Für Fische und Wasserpflanzen ist der neue Nachbar eine Katastrophe. Wenn es nur darum ginge, Fische einzusetzen und wieder heraus zu angeln, könnte der Verein auch so weitermachen, den Anglern geht es aber um ein gesundes Ökosystem.

Schon seit mehren Jahren versuchen die rund 60 Vereinsmitglieder gegen die hungrigen Nutrias anzukommen. „Wir haben 90 Pflanztonnen gebaut", berichtet Hans Dengler. So sollten die jungen Triebe geschützt werden. Allerdings wurden die Pflanzen sofort abgefressen, sobald sie sich über die kleinen Körbe hinaus ausbreiteten.

Mittlerweile arbeiten die Angler großflächiger. Ganze Uferbereiche sind eingezäunt. „Wir haben schon 600 Meter Zaun verbaut." Mehr als 200 Arbeitsstunden und 6000 Euro für Material und Pflanzmatten stecken in dem Projekt. Das Ergebnis ist durchwachsen. Wo die Zäune stehen, gedeihen die Seerosen. Sobald sich eine Öffnung zeigt, ist es aber vorbei mit den Pflanzen.

Innerhalb von zehn Jahren hat sich die deutsche Population verdoppelt

Blieben nur noch radikale Maßnahmen. Und die findet der Vereinsvorsitzende nicht erstrebenswert. Außerdem: Jäger dürfen die Nutrias zwar erlegen, es scheint aber ein Kampf gegen einen übermächtigen Gegner. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die deutsche Population verdoppelt und auch am Vennorter Teich können immer neue Tiere zuwandern.

Was bleibt, ist weitermachen. „Wir werden diesen Kampf wohl verlieren", gibt sich der Anglervorsitzende realistisch. „Und ich habe im vorigen Jahr noch nicht Mal in einziges Mal geangelt."