Forscher lässt Haller Unternehmer in die Zukunft schauen: „Neues Zeitalter“

Halle. Das 20. Haller Wirtschaftstreffen stand schon seit Wochen unter der Überschrift &bdquo;Transformation“. Wie schnell sich Veränderungen vollziehen können, war den Gastgebern aber sicher noch nicht bewusst, als sie die Einladungen versandten. Und dann kam der 6. November: mit Donald Trumps Comeback als US-Präsident und dem krachenden Scheitern der deutschen Ampel-Regierung. Kein Wunder, dass diese Themen vor rund 70 Besucherinnen und Besuchern im Court Hotel an der OWL-Arena eine große Rolle spielten. Die Gäste Moderator Frank Hofen und Bürgermeister Thomas Tappe konnten zahlreiche &bdquo;Veränderer“ aus der Haller Wirtschaft begrüßen - unter ihnen Vertreter des Handels wie Henry Brockmeyer (Gartencenter), Andre Quakernack (Autohaus Hagemeier) sowie Oliver und Silvia Speicher (Marktkauf), der Banken (Harald Herkströter, Volksbank Halle, und Henning Bauer, KSK Halle-Wiedenbrück), des Handwerks (Detlev Heidemann von Heidemann Sound, Matthias Stüve von Stüve Versorgungstechnik), der Industrie (Boris Bödecker von Storck oder Fred Brune, Standortleiter der Nagel Group, die in Halle eine Logistik-Immobilie für Storck betreibt), Gastgeber Ralf Weber, Steuerberater Roland Tomik und Susanne Kock von der Haller Interessen- und Werbegemeinschaft HIW. Und selbstverständlich waren auch Vertreter der Stadtverwaltung sowie die Fraktionsspitzen der Haller Politik vor Ort. Bürgermeister setzt auf Verantwortung Thomas Tappe skizzierte in seiner Ansprache zunächst ein Gefühl: Wandel vollziehe sich nicht mehr beständig, sondern sprunghaft. &bdquo;Es ist auch unsere gemeinschaftliche Verantwortung, auf die drängenden Fragestellungen und Problematiken unserer Zeit schnell ehrliche und wirksame Antworten zu finden.“ Halles Bürgermeister hoffte, dass von diesem Abend eine &bdquo;positive Aufbruchstimmung“ ausgehen möge. Transformation wie ein Hausbau Und um die war zunächst Julia Hupp bemüht, &bdquo;Chief Transformation Officer“ beim Großkonzern Tönnies. Sie sitzt im Vorstand, um Veränderungen erfolgreich zu begleiten. &bdquo;Transformation scheitert nicht an der Expertise oder digitalen Werkzeugen. Es geht darum, alle mit auf die Reise zu nehmen - sonst kommen begonnene Projekte nie über die Ziellinie.“ Hupp verglich einen Transformationsprozess mit einem Hausbau. Auch da habe man viele beteiligte Akteure mit Ansprüchen - Familie, Banken und der Architekt als &bdquo;Stakeholder“ sozusagen. Und all die müsse man mitnehmen. Menschen begeistern Die Veränderungs-Fachfrau bekannte ganz offen: &bdquo;Ich war gut, wenn der Laden mich in fünf Jahren nicht mehr braucht.“ Bei Tönnies gehe vieles sehr schnell, darum machten Veränderungen auch Angst. &bdquo;Wie kannst du deine Mitarbeitenden zu Begeisterten machen?, lautet die zentrale Frage“, skizzierte Hupp. Und schob etwas Bemerkenswertes nach: &bdquo;Es geht eben nicht nur darum, den Umsatz weiterzuentwickeln.“ Nicht gemeckert ist schon gut Man müsse erklären, warum Transformation nötig ist. &bdquo;Gehen Sie mit positiven Botschaften nach vorn“, empfahl Hupp - und kokettierte abschließend dann mit den Besonderheiten der Region: &bdquo;Das ist in OWL nicht üblich. Hier heißt es ja oft: Nicht gemeckert ist gut genug. Ich komme aus Bayern, daran musste ich mich erst gewöhnen.“ Kindliche Neugier Die nächste Stufe der Zukunftsrakete zündete dann Lars Thomsen - gebürtig aus Hamburg, mittlerweile in Zürich ansässig. Seine Botschaft: mutig sein, optimistisch sein und vor allem: handeln. Er erzählte von seiner Kindheit mit zwei Brüdern. &bdquo;Wir waren zwischen fünf und acht und voller Neugier. Wir träumten von fliegenden Autos, von Robotern, die unser Zimmer aufräumen, und von einem Klapphandy wie Captain Kirk.“ Der Vater sei allerdings Ingenieur gewesen - und ein wenig der Spielverderber. &bdquo;Der hat das dann alles mit uns durchgerechnet. So haben wir früh die zwei Seiten der Medaille kennengelernt: kindliche Neugier und realistische Umsetzung.“ Momente, die alles verändern Zu wenig Neugier sehe er allerdings heute in modernen Unternehmen, erklärte Thomsen: &bdquo;Viele Manager können nur Gegenwart, aber die Zukunft ist nicht linear.“ Das veranschaulichte der Zukunftsforscher mit dem Beispiel, wenn man Popcorn selbst macht: &bdquo;Da gibt es die Voreiligen, die sagen: Gleich geht es los. Die BWLer hingegen meinen irgendwann: Das wird nichts mehr. Und die Neugierigen holen das Handy raus und googeln - dann können sie kalkulieren, wann es losgeht und erleben, wie plötzlich alles ploppt.“ Der sogenannte &bdquo;Tipping Point“, jener Moment, in dem die Zukunft eine entscheidende Wendung nehme, lasse sich vorausberechnen. Deutschland kann was Für Frank Thomsen ist klar: &bdquo;Wir brauchen einen Masterplan für die Zukunft in Deutschland.“ Und dann servierte er allen Anwesenden einen wohltuenden Happen inmitten der allgegenwärtigen Krise: &bdquo;Finde mal so ein Land wie unseres, das in einer solchen Dichte so viel geschafft hat. Wir müssen lernen, wieder groß zu denken.“ Warum etwa besinne sich die Autoindustrie nicht und beginne endlich, auch Roboter zu produzieren? KI spielt Schlüsselrolle Der Künstlichen Intelligenz billigt Thomsen eine Schlüsselrolle auf dem erfolgreichen Weg in die Zukunft zu, denn die Gesellschaft habe in den vergangenen Jahren sehr viel Wissen erworben, das auch stresse. &bdquo;Sonst landen wir alle im Irrenhaus.“ Thomsen veranschaulichte das mit den oftmals so nervenden Meetings: &bdquo;Wenn sie fragen, wie viele Meetings in Unternehmen abgehalten werden, sagen Ihnen neun von zehn Mitarbeitenden: zu viele!“ Wie effizient wäre es stattdessen, miteinander konkurrierende KIs mithören zu lassen. &bdquo;Und immer, wenn die Besprechung an einen lähmenden Blockadepunkt kommt, schalten sich diese KIs ein, sortieren die Argumente, geben lösungsorientierte Anregungen - anstatt sich zwei Monate zu vertagen, werden Probleme schneller gelöst.“ Und die Menschen seien frei, nachzudenken und Neues zu lernen. Zeit der Neugier Das klang zwar arg euphorisch, doch ein wenig riss der Zukunftsforscher sein Publikum spürbar auch mit - im ostwestfälischen Sinne ... &bdquo;In der ersten Hälfte der 2020er Jahre hatten wir viele Krisen. Und bis Mittwoch haben wir gemeckert und Schuldige gesucht.“ Das sei mit dem 6. November vorbei. &bdquo;Es beginnt jetzt die Zeit der Neugier und des neuen Mutes.“ Damit - so viel steht fest - hatte Thomsen für noch mehr spannenden Gesprächsstoff beim anschließenden Empfang gesorgt, als ihn Trump, Scholz, Linder und Co. ohnehin schon servieren konnten.

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