Der Schrauber stirbt aus: Ein Haller Kfz-Meister auf verzweifelter Suche

Halle. &bdquo;Wer hat noch Bock auf schrauben?“, fragt das Plakat in auffälligem Rot an der Versmolder Straße 67 mitten im Haller Ortsteil Hörste. Angebracht an einem Dreieck aus Bauzäunen ist es in beiden Fahrtrichtungen kaum zu übersehen. Die bittere Antwort: Offenbar niemand. Zu dieser düsteren Einschätzung kommt jedenfalls der Mann, der die XXL-Annonce platziert hat. Jürgen Knehans ist Inhaber des gleichnamigen Kfz-Meisterbetriebes und will mit dem Aufsteller dicht neben seiner Werkstatt auf ein gravierendes Problem aufmerksam machen. Eines das - wie er sagt - nicht nur ihn und sein Geschäft betrifft, sondern der ganzen Branche Sorgenfalten verschafft. Als sich das &bdquo;Haller Kreisblatt“ wegen des Aushangs bei ihm meldet, wirkt er froh darüber. Bereits am Telefon zögert er nicht, den Teufel beim Namen zu nennen: &bdquo;Wenn hier nicht bald einer kommt, dann gehen die Lampen irgendwann aus.“ Es soll aber nicht irgendwer kommen - &bdquo;ausgelernte Arbeitskräfte brauchen wir“, macht er deutlich, als das HK vor Ort ist. Ohne die brauche er keine weiteren Azubis aufnehmen, so Knehans, denn &bdquo;jemand muss sich ja auch um die kümmern“. Die Suche nach einem Kfz-Mechatroniker gestalte sich aber schwierig. &bdquo;Nicht mal Helfer oder Allrounder sind mehr zu bekommen“, klagt er. Potenzielle Bewerber vom Arbeitsamt rühren sich nicht Seit drei Jahren seien er und seine Lebensgefährtin Anja Brinkmann schon auf der Suche. Dabei zögen die beiden sämtliche Register: &bdquo;Wir versuchen es auch mit Instagram, übers Arbeitsamt ... nichts“, sagen sie und schauen sich dabei ratlos an, als warteten sie auf den jeweils anderen, er möge widersprechen und ein wenig Hoffnung verbreiten. Die aber scheint längst abhandengekommen. Nun also das Plakat am Straßenrand. Immerhin acht Wochen sind nun schon seit Umsetzung dieser Idee ins Land gestrichen. Reaktionen seien abermals ausgeblieben. &bdquo;So einen Packen von Namen kriegen wir immer vom Arbeitsamt“, sagt Brinkmann und macht dabei eine Geste, als würde sie einen beachtlichen Stapel Papier zwischen den Fingern halten. &bdquo;Die sollen sich dann eigentlich bei uns bewerben“, fährt Knehans erklärend fort, nur um tonlos hinterherzuschieben: &bdquo;Es macht keiner.“ Wie er sich das erklären könne? Daraufhin holt Knehans ein bisschen weiter aus. Das Problem sei struktureller Natur, habe grundsätzlichen Charakter. &bdquo;In Deutschland wird zu viel Geld verdient, ohne dafür arbeiten zu müssen“, sagt er und dreht sich zu seiner Partnerin, als diese ein Seufzen ausstößt. Das Thema ist offenbar kein neues im Hause Knehans. &bdquo;Sie wissen doch, wie ich das meine“, schiebt der Kfz-Meister hinterher und schaut ein wenig traurig umher. Dass sich die Frage nach sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Ungleichheit nicht an diesem regnerischen Tage in Jürgen Knehans´ Autowerkstatt beantworten lässt, ist allen Anwesenden klar. Anja Brinkmann springt ihrem Lebensgefährten aber zumindest mit einer Anekdote zur Seite, die das Problem des Paares deutlich werden lässt: &bdquo;Wir hatten hier mal einen Mitarbeiter, der nur gerade so lange gearbeitet hat, bis er sich schließlich ein Auto leisten konnte. Tags darauf kündigte er, denn Frau Merkel kümmere sich schon um den Rest.“ Haller Kfz-Meister verzweifelt an deutschem Schulsystem Das deutsche Schulsystem leiste aber auch seinen Teil zur Misere, findet Knehans. &bdquo;Jeder wird zwanghaft durchs Abitur gepeitscht. Das ist nicht richtig. Mit einem ordentlichen Handwerk kann man mehr verdienen als mit so manchem Studium“, ist er sich sicher. Dass der Beruf des Kfz-Mechatronikers nicht mehr das ist, was er einst war, will Knehans nicht in Abrede stellen. &bdquo;Ohne Fehlerspeicherauslesegerät und Laptop kann man heute nichts mehr machen“, stellt er nüchtern klar. &bdquo;Auch die Bestellung von Ersatzteilen läuft heute ausschließlich online ab.“ Der Fortschritt der Autos bedeute offensichtlicherweise, dass sich die Mechatroniker anpassen müssen, so Knehans. &bdquo;Früher war die Mechanik und Elektronik der Autos viel simpler. Falls die Elektromobilität weiter vorangetrieben wird, wird sich die Elektronik auch weiterhin verändern.“ Dass all das kein Hexenwerk ist, zeigt Til Indiesteln. Der junge Mann arbeitet bei Knehans als Azubi im zweiten Lehrjahr. &bdquo;Ich schraube gerne an Autos herum, weil ich es interessant finde, wie die einzelnen Bauteile zusammenarbeiten, um an Ende das komplette Fahrzeug zu ergeben. Es ist spannend zu sehen, wie viel Potenzial noch in einem Serien-Auto steckt, wenn etwas an Fahrwerk, Auspuff oder Luftfilter verändert wird“, sagt er mit authentischer Begeisterung. Zudem suche er gerne nach Fehlern an Autos. Diese auszumachen und zu beheben, sei sehr befriedigend. &bdquo;Ich habe als Kind immer gerne mit Lego Technic gespielt. Das hier ist eben Lego Technic für Große.“ Immerhin auf seinen fleißigen Azubi kann Jürgen Knehans voll setzen. Nichtsdestotrotz braucht er weitere Unterstützung. Die Werkstatt sei bei der aktuellen Personallage sogar in einem Maße ausgelastet, das es nicht erlaube, neue Aufträge anzunehmen. Und auch, wenn die Suche nach neuen Mitarbeitern bisher ziemlich einseitig verläuft, so weiß Jürgen Knehans dennoch um die Vorzüge seiner Werkstatt. &bdquo;Wir bezahlen übertariflich und sind ein Familienbetrieb, in dem ein Wort zählt, wenn es gegeben wurde.“

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