Die Kornmanager der Raiffeisen Warenhandel GmbH

Im Herz des Betriebes: Lagermeister Eckhard Wacker – seit 37 Jahren im Betrieb – steuert die Warenströme und Maschinen. Die älteren technischen Anlagen werden per Knopfdruck über diese Tafel bedient, die neuen per Computer. | © Marc Uthmann, HK

Marc Uthmann
29.07.2017 | 29.07.2017, 15:00

Halle. Keine Treckerschlange vor der Waage, keine hektische Betriebsamkeit in den zahlreichen Lagern – bei der Raiffeisen Warenhandel GmbH hat sich mit den dicken Wolken eine eigentümliche Ruhe über das Gelände am Gartnischer Weg gelegt. Und das mitten in der Erntesaison. Aber es ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Bald werden Geschäftsführer Ulf Kortepeter und sein Team wieder unter Dauerstrom stehen, um den Ansturm der Landwirte zu bewältigen. Doch ehe die Sonne zurückkehrt, bleibt Zeit für ein Gespräch über Erträge und Herausforderungen einer Branche im stetigen Wandel.

Eins vorweg: Der Regen behagt weder den Landwirten, die reifes Getreide auf dem Feld stehen haben, noch den Verantwortlichen bei der Raiffeisen. „Die Erträge gehen runter", erklärt Ulf Kortepeter. „Zudem wird Pilzbefall wahrscheinlicher und die Keimfähigkeit der Körner sinkt. Das ist schlecht für die Saatgutproduktion."

Info
Ernte maximal durchschnittlich

  • Bisher ist erst die Gerste komplett eingebracht, ihre Bilanz auf den heimischen Feldern fällt mit 5,5 bis maximal acht Tonnen je Hektar sehr durchwachsen aus.
  • „Auf den leichten Böden war das eine unterdurchschnittliche, auf den besseren eine gerade noch durchschnittliche Ernte", sagt Raiffeisen-Außendienstler Markus Hilboll.
  • Triticale und Raps stehen jetzt reif auf den Feldern und werden geerntet, sobald es trocken genug ist, der Weizen ist etwas später dran.
  • Doch lassen sich aus den Ergebnissen der Gerste und den Bedingungen der vergangenen Monate schon erste Prognosen abgeben.
  • „Der April war sehr kalt und trocken, dann kam die Hitzewelle im Juni, die zu einer schnellen Abreife führte", erklärt Ulf Kortepeter. „Mit einer guten Ernte ist also nicht zu rechnen."

Und genau die ist ein Herzstück der zahlreichen Geschäftsbereiche beim Haller Genossenschaftsunternehmen, das eine weitere Niederlassung in der Lindenstadt sowie Standorte in Steinhagen, Isselhorst, Senne und Jöllenbeck betreibt.

Platz für 8000 Tonnen Saatgut-Rohware am Stammsitz

Im Konferenzraum der Zentrale hängen verschiedene Luftbilder des Komplexes am Gartnischer Weg an der Wand. Sie verraten auf den ersten Blick, wie intensiv der Betrieb in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Seit 2003 hat Ulf Kortepeter vor allem das Geschäft mit der Saatgutvermehrung intensiv ausgebaut. Heute gibt es auf der 3,5 Hektar großen Fläche am Stammsitz alleine Platz für 8000 Tonnen Saatgut-Rohware, die in Zellen von 30 bis 100 Tonnen gelagert werden.

Veredelung ist das Geschäft der Haller. Sie kooperieren mit rund 120 Landwirten aus der Region, die für die Raiffeisen Saatgut auf ihren Feldern produzieren und zwischen sechs und zehn Tonnen Getreide pro Hektar ernten. „Wir tauschen uns mit den Betrieben aus, beraten sie beim Anbau und entwickeln Konzepte für die Fruchtfolge", erklärt Markus Hilboll, Außendienstler und Ansprechpartner der Bauern. Das Getreide, dass die Landwirte liefern, enthält meist zwischen 15 und 25 Prozent, in ungünstigen Fällen bis zu 40 Prozent »Ausschuss«.

Die Lager füllen sich: Geschäftsführer Ulf Kortepeter in einem der zahlreichen Kornspeicher der Raiffeisen.Die Lager füllen sich: Geschäftsführer Ulf Kortepeter in einem der zahlreichen Kornspeicher der Raiffeisen. - © Marc Uthmann, HK
Die Lager füllen sich: Geschäftsführer Ulf Kortepeter in einem der zahlreichen Kornspeicher der Raiffeisen.Die Lager füllen sich: Geschäftsführer Ulf Kortepeter in einem der zahlreichen Kornspeicher der Raiffeisen. (© Marc Uthmann, HK)

„Unkraut natürlich, zu große oder kleine Körner – alles, was nicht zum reinen Saatgut gehört oder nicht in die Siebanlage passt, wird bei uns rausgereinigt", erklärt Markus Hilboll. Denn die Raiffeisen will ein zertifiziertes Produkt, so genanntes Z-Saatgut erzeugen – was ihr nach Prüfung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) bescheinigt werden muss.

„Mit unserem Saatgut beliefern wir den gesamten norddeutschen Raum", erklärt Ulf Kortepeter. Etwa 150 bis 200 Kilogramm pro Hektar benötigt ein Landwirt übrigens, um damit seinerseits wieder Getreide anzubauen. Die Veredelung hat entscheidend zum Wachstum der Raiffeisen Warenhandel Halle beigetragen. 2016 erwirtschafteten die 100 Mitarbeiter einen Jahresumsatz von 54 Millionen Euro. „Wobei das natürlich eine schwankende Größe ist, denn Getreide-, Kraftstoff- und Düngerpreise sind extrem volatil", wie Kortepeter erklärt.

Und damit gleichzeitig verdeutlicht, dass sein Betrieb auf weit mehr Feldern als der Saatgutvermehrung agiert: Düngemittel, Futtermittel, Pflanzenschutz, der Kraftstoffbereich, Haus und Garten und schließlich auch die Logistikleistungen des eigenen Fuhrparks runden das Geschäft ab.

„Wir sind mit unseren Landwirtengewachsen"

Versandfertig: Außendienstler Markus Hilboll zwischen den Palettenstapeln mit zertifiziertem Saatgut. - © Marc Uthmann, HK
Versandfertig: Außendienstler Markus Hilboll zwischen den Palettenstapeln mit zertifiziertem Saatgut. (© Marc Uthmann, HK)

„Natürlich sind wir in einigen Bereichen vom Weltmarktpreis oder vom Wetter abhängig", sagt der Geschäftsführer. „Aber in anderen steckt eben unsere Dienstleistung drin." Das betrifft vor allem die Betreuung der insgesamt rund 700 landwirtschaftlichen Kunden. „Wir sind mit unseren Landwirten gewachsen", sagt Markus Hilboll. Was den Saatgutanbau betrifft, berät die Raiffeisen ihre Vertragspartner beim Anbau – es zahlt sich für die Bauern aus, weil sie für Saatgutgetreide einen Aufschlag auf den regulären Marktpreis erhalten.

Aber auch bei bürokratischen Herausforderungen bringt das Haller Unternehmen künftig seine Kompetenzen ein. „Seit dem 1. Juli ist gesetzlich festgeschrieben, dass die Landwirte so genannte Stoffstrombilanzen darüber erstellen müssen, welche Nährstoffe sie in ihren betrieblichen Prozess einbringen und welche ihn verlassen. Das bedeutet eine komplexe Datenflut", erklärt Ulf Kortepeter. Mit der Software »DELOS« will die Raiffeisen hier unterstützen. Denn die Landwirtschaftskammer überprüft, ob der Bauer seinen Verpflichtungen nachkommt – davon hängen nicht zuletzt Ausgleichszahlungen und Fördergelder für den Betrieb ab.

Ein Zukunftsgeschäft also und ein weiterer Beleg für den Wandel einer Branche, die mittlerweile aus weit mehr als Säen, Ernten sowie dem prüfenden Blick gen Himmel besteht. Wobei Ulf Kortepeter auch etwas stirnrunzelnd in die dichten Wolken blickt, ehe er sein Rezept bei schlechtem Erntewetter verkündet: „Man muss einfach ruhig bleiben."