Borgholzhausen. Eigentlich ist es vornehmlich der Kulturverein, der Ausstellungen im Rathaus organisiert. Seit Sonntag aber hängt dort eine Schau, an der die Stadt Borgholzhausen maßgeblich beteiligt ist. Und das nicht ohne Grund. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Abbildung des Kalten Krieges im Bergstädtchen.
Bis 1983 waren holländische NATO-Streitkräfte auf Hollandskopf und Sundern stationiert. 1984 übernahmen für eine kurze Zeit die Briten. Und so war es wenig überraschend, dass am Sonntagmittag anlässlich der Vernissage auch etliche Zeitzeugen den Weg ins Rathaus-Foyer gefunden hatten. Sehr zur Freude von Stadtarchivar Dr. Rolf Westheider und Ausstellungs-Initiator Frank Förste aus Bielefeld. Denn die Augenzeugen waren ihnen willkommene Gastredner.
„Ich freue mich unglaublich, dass dieses Kapitel Borgholzhausener Geschichte heute visuell aufgearbeitet wird", begrüßte der stellvertretende Bürgermeister Hermann Ludewig im Namen der Stadt die zahlreichen Gäste. „Die Zeit zwischen 1960 und 1983 hat Borgholzhausen ohne Wenn und Aber verändert", hob er hervor. Und zugleich betonte er, dass es mit den stationierten Soldaten zu keiner Zeit Integrationsprobleme gegeben hätte. „Sie bereicherten Borgholzhausen auf eine friedliche und unmilitärische Art und Weise." Softeis, Pommes und nicht zuletzt Karneval seien Ausdruck dafür gewesen. „Das vereinte Europa hat schon damals bei uns im Kleinen stattgefunden. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass dies weiterhin in Frieden möglich ist."
Atomsprengköpfe lagern in der Piumer Radarstation
Warum der Karneval durchaus nicht durch Limburger Niederländer mit katholischem Glauben in Borgholzhausen Einzug gehalten hatte – das brachte auch Stadtarchivar Dr. Rolf Westheider zum Staunen. Er spielte schließlich Nenas Hit »99 Luftballons«. „Das war das Lied des Kalten Krieges schlechthin", untermauerte er. Eine Folge des NATO-Doppelbeschlusses aus dem Jahre 1979. Borgholzhausen habe sich, so der Historiker, als idealer Standort für die NATO und ihre Nike-Hercules-Raketen erwiesen. Ein gigantisches Bauprogramm wurde dafür in der Lebkuchstadt umgesetzt.
„1963 zog das 120. Squadron ein", blickte Westheider zurück. Eine Raketenabwehrstation samt Radareinheit. 1981 wird durch einen STERN-Artikel publik: In Borgholzhausen werden durchaus Atomsprengköpfe gelagert. „Das", so Westheider weiter, „löste sehr viel aus."
Es kommt zu Protesten, auch im Kreis Gütersloh. Im Juni 1982 ziehen die holländischen Streitkräfte ab. „1984 übernehmen die Briten die Radar-Station."
Pium saß auf einem Pulverfass
Frank Förste, seit vielen Jahren Sammler von Artefakten aus dem Kalten Krieg, machte deutlich, was bei einer etwaigen Sprengkopf-Explosion hätte passieren können. „Wir zeigen in der Ausstellung auch Bilder aus Hiroshima, um klarzumachen, auf was für einem Pulverfass man hier saß", so der 64-Jährige. Auch das Interesse der Sowjets an Borgholzhausen hob er einmal mehr hervor. Immer wieder seien Fahrzeuge mit gelb-roten Kennzeichen in Borgholzhausen und Umgebung gesichtet worden. Dabei wären bestimmte Straßenzüge der Lebkuchenstadt für die Sowjets absolutes Sperrgebiet gewesen.
Und die Sache mit dem Karneval? Wie hatte es sich jetzt eigentlich nun damit verhalten? Len Snel wusste eine verblüffend einfache Antwort darauf zu geben: „Wir bekamen von Ihrer Majestät dazu ganz offiziell einen Tag frei zum Feiern." Zudem sei Geld vom niederländischen Staat bereitgestellt worden, um das Zusammenleben zu fördern. Wer weiß, vielleicht eine Spätfolge des Besuches, den Prinzgemahl Bernhard der Niederlande dem kleinen Pium 1960 abstattete. Der Mann der damaligen Königin Juliana und Vater der späteren Königin Beatrix stammte schließlich gebürtig aus Detmold.
Zu sehen ist die Ausstellung über den Kalten Krieg in Pium nun bis zum 30. November während der Öffnungszeiten des Rathauses.
                
