Gütersloh. Schnell reinhuschen, damit einen bloß keiner sieht. In einen Erotik-Shop gehen? Das ist doch total peinlich. Zumindest scheinen das noch immer viele Menschen zu denken - wohl vor allem in vergleichsweise kleinen Städten. Doch unerkannt in die Gütersloher Filiale des bekannten Erotik-Shops Orion zu kommen ist kaum möglich. Der kleine Laden liegt an einer der befahrensten Straßen Güterslohs - direkt am Ring. Eingang im Hinterhof? Fehlanzeige.
"Aber warum denn auch?", sagt Inhaberin Sabine Förster mit einem freundlichen Lächeln und öffnet die Tür. Sie ist gerade dabei, Damenwäsche und verschiedene Strumpfhosen ins Regal zu sortieren. Mit Spitze, ohne Spitze. Mit Muster, ohne Muster. Die neue Lieferung ist eben gekommen. "In einen Erotik-Shop zu gehen, ist doch nicht schlimm. Und vor allem sollte es niemanden unangenehm sein. Im Prinzip ist es doch wie in einem Supermarkt. Und das ist doch auch niemandem peinlich."
Dunkel, schmuddelig und leicht bekleidete Verkäuferinnen? "Das ist doch Quatsch!"
Förster betreibt den Gütersloher Shop seit fast acht Jahren. Sie hat zwei kleine Kinder und früher eigentlich gar nichts mit der Erotik-Branche am Hut gehabt. Ihre Ausbildung hat sie in einer Bank gemacht, anschließend eine Tankstelle geleitet. Als Orion für die Filiale in der Dalkestadt eine neue Inhaberin suchte, hat Förster zugeschlagen. "Viele denken immer Erotik-Shops sind dunkel, schmuddelig und dort laufen nur leicht bekleidete Verkäuferinnen herum", sagt sie und zuckt mit den Schultern, "das ist doch Quatsch.” Im Gegenteil.
Hell, aufgeräumt, ordentlich, sauber – das trifft's eher. In großen Buchstaben steht über den Regalen, was die Kunden erwartet. Dildos, Gleitgel, Kondome, Massageöle, Sexspielzeug – für ihn, für sie, für beide. Sabine Förster kennt fast alles. Zumindest weiß sie, wie man die Produkte einsetzt. "Wir müssen nicht jedes Teil ausprobiert haben", sagt sie und lacht, "aber wir müssen wissen, was wir verkaufen. Die meisten Kunden wollen beraten werden", sagt sie und schnappt sich die nächsten Packungen Damenwäsche.
Hundert bis zweihundert Euro pro Teil
Gleich neben dem Wäsche-Regal gibt's Lack, Leder und Latex. Eine Maske, eine hautenge Hose, ein Ganzkörperanzug. "Das muss man halt mögen", sagt Förster. Auch, wenn die Exemplare nicht bei jedem für Begeisterung sorgen, würden sie dennoch regelmäßig nachgefragt. Noch beliebter seien aber die Spielzeuge. Und die haben ihren Preis. Kunden müssen schnell bis zu hundert, zweihundert Euro für ein Teil hinlegen.
In der Gütersloher Filiale arbeiten nur Mädels - eine ganz bewusste Entscheidung. "Wir haben tatsächlich mehr männliche Kundschaft - und die Männer lassen sich halt lieber von Frauen beraten." Wer aber denkt, dass Sabine Förster und ihr Team in knappen Shorts und weit ausgeschnittenen Tops im Laden unterwegs sind, der irrt. Lediglich die Farben schwarz, weiß, rot sind vorgegeben. Ansonsten dürfen die Verkäuferinnen tragen, was sie möchten. "Aber seriös soll es sein - darauf legen wir großen Wert. Wir wollen nicht, dass wir irgendwie billig wirken", sagt Förster.
Er wird fündig - und schnappt sich eine Zeitschrift
Plötzlich schellt die Ladenklingel. Ein Mann mit Cappie kommt herein. 50, vielleicht 55 Jahre alt. Sabine Förster geht auf ihn zu. Ob er schon Hilfe brauche oder sich erst umschauen wolle, fragt sie und lächelt ihn an. Er winkt ab. Er stöbere erst ein bisschen. Zuerst guckt er bei den Dildos, dann bei den Gleitgelen – schaut sich die verschiedenen Spielzeuge an und landet schließlich bei den Zeitschriften. Dort wird er fündig. Nach knapp einer viertel Stunde legt er das Magazin auf den Ladenthresen. Sabine Förster kassiert ab. Sie plaudert noch kurz mit ihm und zack, ist der Mann wieder verschwunden. "Der ist öfter hier", sagt die 48-Jährige.
Knapp 20 Kunden würden pro Tag in den Shop kommen - vor Valentinstag und Weihnachten seien es meist mehr. Die jüngsten Kunden seien 18 Jahre alt, Minderjährige dürfen den Erotik-Shop gar nicht betreten. "Es kommt schon häufiger vor, dass ich mir Ausweise zeigen lasse", sagt Förster, "ich finde das auch nicht übertrieben. Mit 14,15,16 Jahren kann man doch noch gar nicht greifen, was man hier sieht." Aber nicht nur junge Interessierte finden den Weg zu Orion. Försters ältester Kunde ist älter als 90. Die Inhaberin hat den Karton mit Damenwäsche mittlerweile ausgeräumt. Sie schaut sich um. Für den Moment passt alles.
Ihm scheint sein Einkauf nicht peinlich zu sein
Die Ladenklingel schellt wieder. Ein Mann mit Sakko kommt herein. Schnurstracks geht er auf die Abteilung mit speziellen Spielzeugen für Männer zu. Er scheint genau zu wissen, was er sucht. Er schnappt sich ein Exemplar und steht auch schon wieder an der Kasse.
Ob Sabine Förster ihm noch etwas aus dem Online-Shop bestellen könnte, fragt er die Inhaberin. Kein Problem. Förster bestellt die gewünschten Artikel, notiert sich seine Telefonnummer und kassiert ab. "Natürlich können wir nicht alle Produkte, die Orion online anbietet, auch hier im Shop haben", sagt sie, "aber wir können sie schnell und unkompliziert bestellen." Sabine Förster drückt dem Kunden noch seine Tüte in die Hand und hält ihm die Tür auf. Er spaziert raus – samt Einkaufstüte mit Orion drauf. Ihm scheint sein Einkauf nicht peinlich zu sein. Förster lächelt - „warum auch?".