WhatsApp auf Kurzwelle

Auf Empfang: Marco Holleyn (Vorsitzender des Ortsverbands Osning) aus Versmold und sein Stellvertreter Thorsten Kranzkowski suchen an der Funke stets nach neuen Gesprächspartnern auf der ganzen Welt. | © Foto: Uwe Pollmeier

Uwe Pollmeier
20.06.2017 | 20.06.2017, 05:00

Holleyn lebt in Versmold und ist seit sechs Jahren Vorsitzender des Ortsverbands Osning im Deutschen Amateur Radio Club (DARC). „Derzeit haben wir 29 Mitglieder", sagt Holleyn. Und auch wenn es mal in Spitzenzeiten 40 waren, so ist der Zulauf immer noch überraschend hoch. „Weltweit gibt es noch etwa zwei Millionen Funkamateure. Der DARC hat derzeit etwa 35?600 Mitglieder", sagt Holleyn.

„Wir nutzen auch das Internet und natürlich das Handy"

Für viele galten die Funkamateure schon als ausgestorben. Konnten sie noch mit dem Telefon und den früher hohen Kosten für Auslandsgespräche konkurrieren, so dürften ihnen doch Erfindungen wie E-Mail, SMS und WhatsApp längst das Genick gebrochen haben. Allerdings ist das Gegenteil der Fall. „Wir nutzen ja auch das Internet oder WhatsApp", gesteht Holleyn. Aber die Lust darauf, mit den selbst erbauten technischen Geräten zu kommunizieren, wäre dann eben nicht gegeben.

Ein Griff sagt mehr als tausend Worte: Wer heute noch funkt, muss auch das Morsen noch beherrschen. - © Foto: Uwe Pollmeier
Ein Griff sagt mehr als tausend Worte: Wer heute noch funkt, muss auch das Morsen noch beherrschen. (© Foto: Uwe Pollmeier)

Unter den 29 Mitgliedern des Ortsverbandes, der sich 1979 gegründet hat und an jedem dritten Freitag im Monat bei Hagemeyer-Singenstroth in Borgholzhausen trifft, sind derzeit nur drei Frauen. Besser läuft es in der Jugendarbeit. „Wir finden noch Nachwuchs", sagt Holleyn. Derzeit kommen sogar Jugendliche aus Melle und Hilter ins alte Stellwerkhäuschen, um dort an selbstgebastelten Funkgeräten herumzuschrauben. „Wir sind schon alle technisch interessierte Menschen", sagt Holleyn, der beruflich jedoch im kaufmännischen Bereich zu Hause ist. „Es ist ein sehr vielseitiges Hobby", sagt Holleyn. Und ein gebrauchtes Funkgerät sei schon für 300 bis 500 Euro zu haben.

Wer ernsthaft funken möchte, kann das allerdings nicht einfach so tun. Mal eben die hohe Antenne – obwohl die bis zu einer Höhe von zehn Metern nicht genehmigungspflichtig ist – im Garten aufstellen und dann am Gerät drehen, bis aus dem Fiepen eine Stimme wird, ist verboten. „Jeder Funker muss eine Prüfung vor der Bundesnetzagentur ablegen. Dies ist gesetzlich geregelt", sagt Thorsten Kranzkowski, stellvertretender Vorsitzender der Osning-Funker. Bei dieser Prüfung sind sowohl Kenntnisse in der Praxis als auch im Technikbereich gefragt.

Einen entscheidenden Vorteil hat das Funken gegenüber allen anderen Kommunikationsmöglichkeiten. „Wenn der Strom ausfällt, können wir noch jederzeit Kontakt aufnehmen", sagt Holleyn. Kommuniziert wird nämlich über Kurzwelle. Die Verbindungsqualität hängt nicht vom Strom, sondern von Sonnenflecken oder Wetterereignissen ab. Diese nahezu unzerstörbare Kommunikation hat beispielsweise beim Tsunami in Südost-Asien 2004 oder beim Erdbeben in Nepal vor gut zwei Jahren einige Menschenleben gerettet.

Holleyn, der beim Funken auf den Namen DJ4MH hört, wobei die ersten Buchstaben das Land und die letzten beiden die Anfangsbuchstaben seines Vor- und Nachnamens sind, hat kürzlich sogar an der Deutschen Meisterschaft teilgenommen. „Man musste dort möglichst viele Verbindungen in möglichst viele Länder: herstellen", sagt der Versmolder. Innerhalb von 48 Stunden hat er 5000 Verbindungen in 150 Ländern geschafft – für den Titel hat das nicht gereicht. Im kommenden Jahr ist Holleyn als Schiedsrichter bei der Weltmeisterschaft in Wittenberg/Jessen, südlich von Berlin, dabei.

Bis dahin hofft er weiterhin auf spannende Funkkontakte. „Begehrt sind Orte, wo selten jemand ist", sagt Holleyn. Wie etwa die Neumayer-Station-III in der Antarktis, die US-Base auf Guam im Westpazifik oder Nordkorea. Die Tendenz, dort einen Funker zu finden, geht praktisch gegen null. Und sollte es doch einmal passieren, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er am Tag darauf nicht mehr lebendig vor seinem Kommunikationsgerät sitzt.

Begehrt sind auch Kontakte in den Vatikan. Dort gibt es unter den rund 1000 Einwohnern sogar mehrere Funker, die nicht nur einen guten Draht zu Gott, sondern auch Verbindungen in alle Welt pflegen. Und wer Funken jetzt noch antiquiert findet, dem hat Hollyen etwas entgegenzusetzen. „Wir praktizieren auch noch das Morsen", sagt der Vereinsvorsitzende. „Dieses Weltkulturerbe wird von uns gepflegt." Wer meint, dass diese Mitteilungsmethode gemeinsam mit der Titanic vor 105 Jahren untergegangen ist, wird überrascht sein. Es ist sogar noch ein neues Morsezeichen dazugekommen, nämlich das @. Auf morsisch heißt dies übrigens dit, dah, dah, dit, dah, dit.

Info

Es funkt seit Jahrzehnten

• Die Ursprünge des Funkens reichen zurück bis ins Jahr 1864. Damals wies James Clerk Maxwell aufgrund theoretischer Überlegungen die Existenz von Radiowellen nach, welche am 11. November 1886 von Heinrich Hertz zum ersten Mal experimentell bestätigt wurden. Die erste Funkverbindung gelang Guglielmo Marconi 1895 mit einem Knallfunkensender und dem Nachbau eines Empfängers von Alexander Stepanowitsch Popow über eine Entfernung von etwa fünf Kilometer. Obwohl sich die Technik heutzutage stark von der in den Entstehungsjahren unterscheidet, erhielt sich der namensgebende Wortbestandteil Funk in Begriffen wie Rundfunk, Mobilfunk oder Hörfunk.