Krisenstimmung bei Gerry Weber

Hauptversammlung beim Haller Modeunternehmen

Im Kreuzverhör: Gerry-Weber-Vorstand Norbert Steinke, Dr. David Frink und Ralf Weber sowie Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Ernst F. Schröder stellten sich den Fragen der Aktionäre. | © Foto: Andreas Zobe

Marc Uthmann
15.04.2016 | 15.04.2016, 14:00
Aktionärsschützerin Jella Benner-Heinacher - © Foto: Nicole Donath
Aktionärsschützerin Jella Benner-Heinacher (© Foto: Nicole Donath)

Der Vorstandschef der Gerry Weber International AG wusste, welch schwere Aufgabe diese Hauptversammlung für ihn werden würde. Das Gerry Weber Event Center voll, die Stimmung kritisch – Ralf Weber entschied sich für Offenheit und gewährte auch Einblicke in sein Gefühlsleben: „Diese Krise ist eine neue Situation für uns. Das trifft mich auch persönlich." Ehrliche Worte nach 15 harten Monaten.

Im Januar 2015 war Ralf Weber zum Vorstandsvorsitzenden des Haller Modekonzerns berufen worden – „damals hatte ich auch auf anderes gehofft", gestand der 52-Jährige gegenüber den Aktionären ein. Nun muss er ein knallhartes Sparprogramm durchziehen, das erste der gut 40-jährigen Unternehmensgeschichte, die fast immer eine Erfolgsgeschichte war.

Und Ralf Weber steht nun alleine im Wind, wie auch die Hauptversammlung verdeutlichte. Denn die fand in Abwesenheit von Unternehmensgründer und Aufsichtsratsmitglied Gerhard Weber und seiner Frau Charlotte Dresselhaus-Weber statt, die ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt. Die beiden seien „verhindert", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Ernst Schröder nur und richtete „herzliche Grüße" aus. Die Abwesenheit des einstigen Unternehmenspatriarchen und seiner Gattin stieß bei den Anlegern auf Kritik: „Ich kann nachvollziehen, dass man angesichts des Endes einer so langen Erfolgsgeschichte nicht zu dieser Versammlung kommt, verstehen kann ich es nicht", sagte Jella Benner-Heinacher von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Einmal im Jahr sollte sich ein Aufsichtsratsmitglied seinen Aktionären stellen."

Zu schnell gewachsen, zu komplexe Organisation

Kommentar

Auf eigenen Wegen

Von Nicole Donath

Es war die erste Hauptversammlung in der Geschichte der Gerry Weber International AG ohne Gründer Gerhard Weber. Dass er ausgerechnet gestern fehlte, darf angesichts der schwierigen Lage, in der sich das Unternehmen befindet, kritisiert werden, und genau das taten die Aktionäre auch. Das Fernbleiben hatte aber auch Symbolcharakter: Nicht nur sein Beratervertrag läuft vorzeitig aus. Nein, der Patriarch trat tatsächlich auch nicht in Erscheinung. Für den Vorstand mit Ralf Weber, Dr. David Frink und Norbert Steinke ist das eine Chance. Das Trio, das jetzt mit viel Durchhaltevermögen und klugen Entscheidungen Fehler korrigieren muss, die größtenteils noch in der Ära von Gerhard Weber getroffen wurden, braucht jetzt die Freiheit, eigene Wege zu gehen. Dabei verdienen die Art, wie man die Fehler einräumt, sowie das Programm, mit dem das Unternehmen wieder in die Erfolgspur geführt werden soll, Respekt.

Abseits der Symbolik demonstriert Gerhard Weber seinen Rückzug aus dem operativen Geschäft des Konzerns aber auch, indem er Fakten schafft. Zum 31. Mai – kurz vor seinem 75. Geburtstag – wird auf seinen Wunsch der mit jährlich 480 000 Euro dotierte Beratervertrag vorzeitig aufgelöst. Es war eine Geste des Abschieds.

Ralf Weber bemühte sich indes, Klarheit und Kompetenz als Krisenmanager zu demonstrieren: „Wir haben unser Filialnetz zu schnell ausgebaut, unsere Organisation ist zu komplex." Zudem habe man die Partner vernachlässigt, die Gerry-Weber-Produkte in ihren Kaufhäusern anböten. „Es gibt dringenden Handlungsbedarf, wir müssen schmerzhafte Einsparungen realisieren und ich bitte Sie, die Aktionäre, um Vertrauen und Geduld." Handele der Konzern jetzt nicht, drohten mittelfristig noch tiefere Einschnitte. Unter anderem wurde im Rahmen der Versammlung noch einmal bestätigt, dass am Verwaltungssitz in Halle 200 Stellen wegfallen sollen. Finanzvorstand David Frink verkündete das Ziel, die Belastungen der insgesamt 36 Millionen Euro teuren Sanierung im Wesentlichen in diesem Jahr zu verarbeiten, damit man im Anschluss wieder klare Jahresabschlüsse ohne belastende Sondereffekte habe. Das klare Bekenntnis zum Sanierungskonzept nötigte den Aktionären Respekt ab, dennoch legten sie auch den Finger in die Wunde: „Die Analysten empfehlen diese Aktie nicht zum Kauf", stellte Josef Gemmecke von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger fest, hob allerdings hervor: „Eine Eigenkapitalquote von immerhin noch 51,5 Prozent (Geschäftsjahr 2013/14: 66,4 Prozent, Anm. d. Red.) bietet eine gute Chance, auf den Wachstumskurs zurückzukehren."

Jella Benner-Heinacher nahm indes den Verfall der Aktie ins Visier: „Früher war sie ein Witwen- und Waisenpapier, das gerne gekauft wurde, heute ist sie zum Spekulationspapier verkommen." Und die Aktionärsschützerin bezog dabei den Vorstandschef ausdrücklich mit ein: „Ralf Weber hat mit Put-Optionen dieser Aktie, also auf fallende Kurse, gewettet. Wie soll er da seine Aktionäre von der Zukunft des Unternehmens überzeugen?"

Ein Vorwurf, zu dem Weber persönlich Stellung nahm: „Ich habe meinen Anteil am Unternehmen kontinuierlich aufgestockt – auch bei noch höheren Kursen – und dafür einen Großteil meines Vermögens investiert." Das kritisierte Geschäft sei ihm von einer Bank offeriert worden, um einen Teil der Risiken abzusichern. „Das war aber ein Fehler und wir haben dieses Geschäft schnell wieder geschlossen", räumte Weber ein, der erst kurz vor der Hauptversammlung wieder in erheblichem Umfang Aktien gekauft hatte.

Es war ein Signal für das Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens – ebenso wie die 90-Millionen-Euro-Investition in das Logistikzentrum Ravenna-Park. 20 bis 25 Prozent Vertriebskosten soll es unter Volllast 2017 einsparen, das wären acht bis zehn Millionen Euro jährlich bei den aktuellen Stückzahlen. Dass Gerry Weber diesen Komplex überhaupt auslasten kann, ist nicht zuletzt der 2014 zugekauften Marke Hallhuber zu verdanken: „Die fünf Millionen Teile, die dem geplanten Umschlag aufgrund des schwächelnden Geschäftes der Gerry-Weber-Kernmarken fehlten, lieferte das Geschäft mit Hallhuber zu."

Der Ravenna-Park ist also schon jetzt ein Hoffnungsträger für die Sanierung, doch rechnen die Verantwortlichen bis mindestens 2018 mit Belastungen durch die Sanierung. Die Hauptversammlung – sie wird also nicht die letzte Bewährungsprobe von Ralf Weber auf der Kommandobrücke gewesen sein.