Uni BielefeldStrack-Zimmermann verteidigt bei "Ukraine-Talk" deutsche Waffenlieferungen

Die FDP-Politikerin geht an der Universität Bielefeld geduldig auf Kritik geht ein – wer aber nur stören will, fliegt aus dem Hörsaal.

Florian Pfitzner

Die "Zeitwende" sei "eigentlich ein Epochenwandel", sagt Strack-Zimmermann. - © Barbara Franke
Die "Zeitwende" sei "eigentlich ein Epochenwandel", sagt Strack-Zimmermann. © Barbara Franke

Bielefeld. Die Polizei hat sie vom Bahnhof abgeholt, aus Sicherheitsgründen. Vor der Tür des Citec der Uni Bielefeld wartet eine Handvoll Menschen auf Marie-Agnes Strack-Zimmermann, um ihr üble Beschimpfungen zuzurufen. Die FDP-Politikerin sucht trotzdem das Gespräch, die Krakeeler sind dazu nicht in der Lage. Strack-Zimmermann eilt zum Hörsaal, vorbei an einem Aufsteller mit ihrem Gesicht: "Ukraine-Talk".

Sie ist aktuell eine viel gefragte Frau. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag hat sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine häufig hervorgetan. Nun ist sie zu Gast bei den Jungen Liberalen in Ostwestfalen-Lippe und der Liberalen Hochschulgruppe. Der Bezirksvorsitzende Torben Hundsdörfer kündigt "MASZ" als "Verteidigungsministerin der Herzen" an.

Im Hörsaal ist jeder Platz belegt. Uni-Rektor Gerhard Sagerer hält noch sein Grußwort, als ein paar junge Menschen den "Ukraine-Talk" stören. "Keine Kriegstreiberei", steht auf einem Plakat. Gefragt, wer sie sind, entgegnen sie: "Wir sind Studis von der Uni, die das scheiße finden, was hier passiert."

Auch an dieser Stelle bleibt Strack-Zimmermann souverän. "Das gehört zur Demokratie", sagt sie. Der Gegenwind gehört jetzt zu ihrem Politikgeschäft. Aus der Koalition heraus hat sie das Kanzleramt mehrfach hart kritisiert. "Ich bin die Ausreden, warum wir keine Panzer liefern können, so was von leid", polterte sie vor der "Panzerwende". Niemand solle "die Geschichte des Aggressors" verbreiten. Dem Publikum erzählt sie nun von den barbarischen Zuständen in der Ukraine, von vergewaltigten Frauen, von gefolterten Kindern und vom russischen Kriegstreiber Putin.

"Es geht nicht nur um Waffen, Waffen, Waffen"

Einigen im Saal gefällt nicht, dass sie Hitler, Stalin und Putin in eine Reihe stellt. Strack-Zimmermann korrigiert sich, entschuldigt mitunter auch ihre rheinische Flapsigkeit. Ein Student fragt: Wohin sollen all die Waffen führen? "Es geht nicht nur um Waffen, Waffen, Waffen", sagt sie. "Wir machen viel mehr."

Deutschland ist angesichts der Frage der "Leopard"-Lieferungen gespalten. Mit 46 Prozent spricht sich im jüngsten "Deutschland-Trend" eine knappe Mehrheit der Befragten dafür aus, 43 Prozent sind dagegen. In den westlichen Bundesländern findet es jede und jeder Zweite angemessen, Kiew schwere Kampfpanzer zu liefern, im Osten lehnt dies eine Mehrheit von 59 Prozent ab. Bundesweit folgen auch jüngere und mittelalte Menschen überwiegend dieser Meinung. Mit zunehmendem Alter ändert sich die Stimmungslage der Umfrage zufolge.

Wie will Strack-Zimmermann die Zweifler überzeugen? Bei der Frage der Waffenlieferung "geht es emotional ans Eingemachte", sagt sie dieser Redaktion. Umso wichtiger sei es, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. "In Deutschland wurde nach 1990 die Frage der äußeren Sicherheit in keiner Weise mehr thematisiert." Putin habe "genau auf diese romantische Sichtweise gesetzt". Der russische Angriff auf die Ukraine habe "allen klar gemacht, dass das Wegschauen naiv und verantwortungslos gewesen ist".

Der Wiederaufbau werde "ein unvorstellbarer Kraftakt"

Allen? So leidenschaftlich sie wirkt, so realistisch bleibt Strack-Zimmermann. "Natürlich werde ich die Zweifler nicht alle überzeugen können", sagt die 64-Jährige. Den Versuch aber sei es allemal wert. "Zeitenwende", das heiße nicht nur mehr Geld in die Bundeswehr zu stecken. Die Zeitenwende fange "im Kopf an und bei der Erkenntnis, dass lang währende Gewissheiten plötzlich obsolet sind und wir mit der neuen Realität umgehen müssen".

Im Saal fragt eine Studentin aus Kiew nach den kommenden Jahren. Der Wiederaufbau werde "ein unvorstellbarer Kraftakt", prophezeit Strack-Zimmermann, "aber die Welt wird die Ukraine unterstützen". Die 250 Menschen im Publikum sind der Politikerin zugeneigt. Wer nur stören wollte, ist rausgeflogen. "Es ist Ihre Welt, es ist Ihre Zukunft", sagt Strack-Zimmermann an die Jüngeren gerichtet. "Es liegt an Ihnen, wie wir die Zukunft gestalten."