AuszeichnungenFriedensnobelpreis geht an osteuropäische Menschenrechtler

Steffen Trumpf, Hannah Wagner, Ulf Mauder und Andreas Stein

Ales Bjaljazki im Jahr 2011 bei einer Gerichtsverhandlung in Minsk. - © Sergei Grits/AP/dpa
Ales Bjaljazki im Jahr 2011 bei einer Gerichtsverhandlung in Minsk. © Sergei Grits/AP/dpa

Am 70. Geburtstag von Kremlchef Wladimir Putin ist Menschenrechtlern aus Belarus, Russland und der Ukraine der diesjährige Friedensnobelpreis zugesprochen worden. Der wichtigste Friedenspreis der Erde geht diesmal an den inhaftierten belarussischen Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki, die russische Organisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties. Das gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekannt. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Lage in Belarus sahen Experten darin auch ein Signal an Putin und weitere Autokraten in der Welt.

Von Politikern weltweit bekam die Entscheidung des Komitees Zuspruch. Die Ausgezeichneten erhielten den Preis «völlig zu Recht», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach einem EU-Gipfel in Prag. Er würdigte ihren Mut, ihre Leidenschaft und Klarheit. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Preisträger in einem Tweet als unerschütterliche Verfechter der Menschenrechte in Europa.

Das norwegische Nobelkomitee würdigte Bjaljazki, Memorial und das Center for Civil Liberties (Zentrum für bürgerliche Freiheiten, CCL) für ihre Rollen, die sie in ihren Ländern für die Zivilgesellschaften spielen. Die Preisträger setzten sich seit vielen Jahren für den Schutz der Grundrechte der Bürger und das Recht ein, Machthabende zu kritisieren, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. Dabei bemühten sie sich ganz besonders dafür, Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und den Missbrauch von Macht zu dokumentieren.

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Das Komitee wolle diesmal die enorme Bedeutung unterstreichen, die der Zivilgesellschaft und der Opposition in jeder Gesellschaft - demokratischen wie autokratischen - zukomme, sagte Reiss-Andersen der dpa in Skandinavien. Einzelpersonen und Organisationen könnten eine außerordentliche Rolle in politischen Angelegenheiten und in der Ablehnung von Krieg spielen.

Zum ersten Mal sind somit ukrainische und belarussische Akteure unter den Friedensnobelpreisträgern. Aus Russland war erst im Vorjahr ein Putin-Gegner ausgezeichnet worden: Damals war der Preis an Dmitri Muratow und die Philippinerin Maria Ressa gegangen. Die beiden Journalisten erhielten ihn für ihren Kampf für die Meinungsfreiheit.

Der seit mehr als einem Jahr in einem belarussischen Gefängnis inhaftierte Bjaljazki kämpft seit vielen Jahren für Demokratie und Freiheit in seinem Heimatland. Internationale Berühmtheit erlangten er und das von ihm gegründete Menschenrechtszentrum Wesna im Zuge der Massenproteste im Sommer 2020.

Preis als Zeichen gegen Russland?

Memorial in Russland, das sich etwa für politisch Verfolgte einsetzt, wurde 2021 auf Anweisung der Behörden aufgelöst, weil es gegen Gesetze verstoßen haben soll. Die Organisation hat nun auch ihren Stammsitz in Moskau verloren. Ein Gericht in der russischen Hauptstadt schlug das Gebäude am Freitag in einem als politisch motiviert kritisierten Verfahren dem russischen Staat zu. Das ukrainische Zentrum für bürgerliche Freiheiten macht seit Kriegsbeginn unter anderem auf die Lage von ukrainischen Gefangenen aufmerksam. Allen drei Preisträgern wurde auch bereits der gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bezeichnete Right Livelihood Award zugesprochen - CCL erst vergangene Woche, den anderen beiden vor einigen Jahren.

Reiss-Andersen betonte mit Blick auf Putin zwar: «Wir geben einen Preis immer für etwas und an jemanden - nicht gegen jemanden.» Die Auswahl der Preisträger kann aber durchaus als ein Zeichen gegen das Vorgehen Putins und auch des mit ihm verbündeten Lukaschenko gewertet werden, der am Freitag zu den Gästen von Putins Geburtstagsfeier zählte. Es gehe jedoch um mehr als um Putin und den Ukraine-Krieg, sagte der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, Dan Smith. «Ich denke, das Komitee sendet die Botschaft, dass Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten und eine aktive Zivilgesellschaft Teile des Friedens sind», sagte Smith. «Ich glaube nicht, dass man dem widersprechen kann.»

Aus der Ukraine kam allerdings prompt Kritik. «Das Nobelpreiskomitee hat eine interessante Auffassung des Wortes «Frieden», wenn den Friedensnobelpreis zusammen Vertreter zweier Länder erhalten, die ein drittes überfallen haben», schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, auf Twitter.

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Der russische Politologe Abbas Galljamow dagegen lobte die Auszeichnung an Akteure aus gleich drei einst verbrüderten Ländern. «Das Nobelkomitee hat das Thema der slawischen Bruderschaft um einiges besser gespielt, als Putin mit all seinen seit vielen Jahren andauernden «Integrationsprozessen»», schrieb er auf Telegram.

343 Kandidaten - 251 Persönlichkeiten und 92 Organisationen - waren in diesem Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert worden. Die Namen werden traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war vorab spekuliert worden, dass der Preis an ukrainische Akteure gehen könnte, etwa an den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Auch die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und der inhaftierte russische Kremlgegner Alexej Nawalny wurden als Favoriten gehandelt.

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Der belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki im Jahr 2014 in Minsk. - © Dmitry Brushko/AP/dpa Das Büro von Memorial in Moskau auf einem Archivbild aus dem Jahr 2013. - © Ivan Sekretarev/AP/dpa Oleksandra Matwijtschuk vom Center for Civil Liberties aus der Ukraine. - © -/Right Livelihood Foundation/dpa Die Vorsitzende des Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, verkündet in Oslo die diesjährigen Gewinner des Friedensnobelpreises. - © Heiko Junge//dpa Oleg Orlow ist Leiter des Rechtszentrums der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial. - © Alexander Zemlianichenko/AP/dpa Eine Demonstration für die russische Menschenrechtsorganisation Memorial im vergangenen Jahr in Warschau (Archivbild). - © Tomasz Gzell/PAP/dpa Russische Polizisten halten im vergangenen Dezember einen Mann fest, der vor dem Obersten Gerichtshof in Moskau gegen die Auflösung von Memorial protestiert: «Hände weg von Memorial, Freiheit für politische Gefangene.» - © Pavel Golovkin/AP/dpa
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