Games"Der Herr der Ringe: Gollum" im Test: Kein Schatz

Das Adventure um den ewig zwiegespaltenen Ring-Liebhaber klang auf dem Papier spannend, entpuppt sich aber als in jeder Hinsicht altbackenes Hüpf-Adventure ohne Seele. Das muss man im Herr-der-Ringe-Universum auch erstmal hinkriegen.

David Wellenfang

Immer auf der Jagd nach dem Schatz: Gollum. - © Daedalic Entertainment/Nacon
Immer auf der Jagd nach dem Schatz: Gollum. © Daedalic Entertainment/Nacon

Hier ein Satz, den man über sein neues Spiel eher nicht so gerne hört: "(Das kostet) Weihnachten 10 Euro, ganz sicher." Einschätzungen wie diese begleiten gerade den Leak des neuen Herr-der-Ringe-Spiels "Gollum", das einen Tag vor Release kurzzeitig komplett auf Youtube zu finden war. Nicht schön, aber verschmerzbar, handelte es sich nur um die übliche Internet-Häme. Das Problem: "Gollum" ist wirklich kein gutes Spiel.

Als wir die Reaktionen auf Reddit am Abend vor dem Erscheinungstag lesen, fühlen wir uns fast ertappt, weil sich vieles davon mit unseren Eindrücken deckt. Das Spiel soll die Geschichte erzählen, wie der vom Ring verdorbene Smeagol aus Mordor entkommt, nachdem er den dunklen Herrscher Sauron auf die Spur des einen Rings geführt hat – und wie seine Jagd nach dem Ring bis zum Beginn des ersten Bandes des "Herrn der Ringe" weiterging.

Dabei erkunden wir meist linear gebaute Höhlensysteme und Bergmassive von Mordor, aber auch den schönen Düsterwald, meistern simple Hüpf- und Kletterpassagen, weichen Orks in Schleicheinlagen aus und lauschen den Streitereien der zwei Persönlichkeiten unseres "Helden", inklusive etlicher Verweise auf die Geschichte aus den Büchern und Filmen. Immer mal wieder können wir uns entscheiden, ob wir wie Gollum oder Smeagol reagieren wollen. Das soll in der Story Auswirkungen auf unsere "gefährlichen Allianzen" haben.

Soweit die Theorie. In der Praxis fehlt dem, was die deutschen Adventure-Experten von Daedalic hier abliefern, so ziemlich alles, was Grund zum Weiterspielen liefern würde. Die Hüpfabschnitte schwanken zwischen anspruchslos und frustig, weil die Kamera nicht immer zeigt, was sie soll. Dasselbe gilt für die Schleichpassagen, in denen wir entweder locker von Schatten zu Schatten huschen oder an einem gemein gebauten Engpass immer wieder von den wachsamen Orks erwischt werden.

Ein Gefühl dafür, was wir hätten anders machen müssen, kriegen wir dabei praktisch nie; das Spiel geizt mit verständlichen Rückmeldungen. So bleibt uns nichts übrig, als in immer neuen Versuchen den genauen Abstand zum Wach-Ork "herauszusterben", bis wir uns dann doch ungesehen vorbeigequetscht haben. Motivierend ist anders.

Mordor, so öde

Mordor ist imposant entworfen, die Entwickler halten sich aber auch insgesamt nah an die Vorlage. - © Daedalic Entertainment/Nacon
Mordor ist imposant entworfen, die Entwickler halten sich aber auch insgesamt nah an die Vorlage. (© Daedalic Entertainment/Nacon)

Überhaupt hat Gollum wenig zu tun. Klar, er hat außer Steinen keinerlei Waffen und kann nur ungepanzerte Orks von hinten abmurksen. Offene Kämpfe enden deshalb praktisch immer mit dem sofortigen Bildschirm-Tod.

Abseits des Pfades gibt es außerdem nur ein paar Gimmicks, die weder für Story noch fürs Gameplay wirklich wichtig wären. In einem der ersten von zehn Story-Kapiteln finden wir beispielsweise einen Schlüssel. Das Spiel meldet: Wir haben ein Sammlerstück gefunden. Und nu? Können wir damit vielleicht den Käfig der brabbelnden Hexe öffnen, vor der uns ein Mitgefangener warnt? Offenbar nicht, wie ein Besuch bei der Dame ergibt.

Ganz ehrlich: Wer in Adventure-Spielen Schlüssel versteckt, die nichts aufschließen, hat hoffentlich "Uncharted" programmiert (das auf ein ähnlich nutzloses Collectible-System setzte). Ansonsten ist das nämlich so ziemlich das Falscheste, worauf man kommen kann. So kommt die Story, ohnehin schon eher erratisch und nebenbei erzählt, zu Beginn nur quälend langsam in Gang.

So schön wie ein Ork-Hintern

Ein gutes Beispiel für die Optik: Das Setting ist stimmig, die Grafik aber sehr reduziert – zu sehen beispielsweise an den plump platzierten Grashalmen auf dem platten Rasen. - © Daedalic Entertainment/Nacon
Ein gutes Beispiel für die Optik: Das Setting ist stimmig, die Grafik aber sehr reduziert – zu sehen beispielsweise an den plump platzierten Grashalmen auf dem platten Rasen. (© Daedalic Entertainment/Nacon)

Die Grafik tut ihr übriges zu dem Eindruck, dass wir hier ein halbgares Produkt vor uns haben. Daedalic-Spiele waren nie für High-End-Grafik bekannt, wohl aber für einen stimmigen Look. Texturen-Matsch und stockige Animationen in "Gollum" sind aber kein Art-Style, sondern einfach mehrheitlich hässlich, selbst wenn man dem immer noch eher kleinen Entwickler gewisse Limitierungen zugesteht. Da nützen auch die teilweise beeindruckenden Hintergründe nichts, wenn uns im Nahfeld brauner Einheitsbrei ablenkt.

Zwischensequenzen, in denen der Hauptcharakter zwar spricht, sein Mund sich aber nicht bewegt, sind jedenfalls ein No-Go. Und die unkoordiniert rollenden Lampenaugen sorgen eher für Erheiterung beim Spieler, als dass sie nachvollziehbare Gefühlsregungen transportieren würden. Wie gut die Unreal-Engine 4, in der auch "Gollum" läuft, immer noch aussehen kann, beweist gerade zum Beispiel "Jedi: Survivor" – wenn auch nicht technisch sauber.

Schwierigkeiten mit der Technik hat "Gollum" aber auch. Testern konnte auf der PS5 wegen eines Fehlers mit der Engine, die Gollums spärliches Haupthaar simuliert, das Spiel reihenweise abschmieren. Auch Spielstände waren zeitweise nicht sicher. All das soll ein Patch zum Release kitten, verspricht der Entwickler. Wir hatten im gesamten Testzeitraum zwar keine Probleme. Aber wenn vorsorglich per Mail auf "heftige Crashes" hingewiesen wird (immerhin gab es überhaupt Informationen), dann passt das bei "Gollum" am Ende ganz gut ins Gesamtbild.

Fazit

Neue Geschichten in Mittelerde haben immer Potenzial. Dass mit Daedalic ein deutscher Entwickler "Gollum" entwickeln durfte, ist ein schöner Erfolg für den Standort. Doch das Ergebnis spielt sich so, als hätten die Entwickler sich nie festlegen können, was für ein Spiel sie eigentlich machen wollen. Keine der Mechaniken wirkt überzeugend, alles ist durchschnittlich interessant oder in anderen Spielen längst besser umgesetzt.

Schade, man hätte es dem Team gewünscht, ein besseres Spiel abzugeben. Denn wir wollen ja durchaus wissen, ob Gollum nun entkommen ist oder vielleicht doch als Teil von Saurons Plan, den Ring zurückzubekommen, freigelassen wurde, wie Zauberer Gandalf vermutet. Dass sich das trotz manch stimmungsvoll designtem Level aber so spielt und es obendrein auch so aussieht wie ein Mittelklasse-Mobile-Game, ist aber einfach Gift für den Spielspaß. Bedenkenlos zugreifen können hier allenfalls Hardcore-Tolkienisten.

Ein Schatz sieht jedenfalls anders aus.

"The Lord of the Rings: Gollum” ist ab sofort erhältlich für PS5, Xbox Series und PC, kostet rund 50 Euro und ist freigegeben ab 12 Jahren.

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