LokalsportEs begann mit einer Zehnerkarte auf der Eisbahn: Hallerin kämpft um Olympia

Katharina Müller steht seit zwanzig Jahren auf dem Eis. In wenigen Tagen steht sie bei der Weltmeisterschaft in Schweden vor der bislang größten Herausforderung ihrer Karriere.

Christian Helmig

„Auf geht’s" steht auf Russisch auf dem Schild, das Maxim Stawiski in die Höhe hält. Der Ex-Weltmeister gehört wie Anjelika Krylova (rechts) zum Trainerstab von Katharina Müller und Tim Dieck. - © Katharina Müller
„Auf geht’s" steht auf Russisch auf dem Schild, das Maxim Stawiski in die Höhe hält. Der Ex-Weltmeister gehört wie Anjelika Krylova (rechts) zum Trainerstab von Katharina Müller und Tim Dieck. © Katharina Müller

Halle/Moskau. Die Trainingswoche ließ Katharina Müller mit Freunden in einem Schrebergarten am Rande von Moskau ausklingen. Kraft tanken vor dem Abflug Richtung Schweden am Sonntag. Mit ihrem langjährigen Kufen-Partner Tim Dieck startet die 25-Jährige, die in Halle aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, am 26. und 27. März in der Hauptstadt Stockholm zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft im Eistanz. „Unsere Ungeduld wird jeden Tag größer", sagt Katharina Müller.

Es ist eine Premiere mit einem Jahr Verspätung: Ursprünglich wollte sich das beste deutsche Eistanzpaar schon im März 2020 mit der globalen Konkurrenz messen. Doch weil die Corona-Pandemie rasant um sich griff, wurden die Titelkämpfe in Toronto (Kanada) wenige Tage vor dem Start abgesagt. Der Schock saß tief. „Wir mussten danach zuerst aufpassen, dass wir in unserer Leistung nicht zurückfallen und das verlieren, was wir uns über lange Zeit aufgebaut haben", blickt Katharina Müller zurück.

Wechsel an die Uni Bielefeld hilft dem Sportstudium voran

Weil auch die Rückkehr in ihre Wahlheimat Russland lange Zeit unmöglich war, überbrückten Katharina Müller und Tim Dieck die ersten Monate mit abwechselnden Trainingsphasen im NRW-Stützpunkt in Dortmund und in Oberstdorf. Es war „die bestmögliche Lösung", um den Titel bei den Deutschen Meisterschaften und damit auch das WM-Ticket zu verteidigen.

Abseits der Eisfläche nutzte Katharina Müller die Zeit, um wieder etwas näher an ihre alte Heimat Halle heranzurücken. Nach dem Wechsel von der Uni Bochum nach Bielefeld hat sie das erste Semester im Fach Sportwissenschaft abgeschlossen. Daneben erwarb sie in einem Onlinekurs die B-Lizenz als Fitnesstrainerin – Fingerzeige für ihre berufliche Zukunft nach der aktiven Karriere.

Olympiazweite "presst letzten Saft heraus"

Die allerdings ist noch lange nicht gekommen. Aktuell gilt Katharina Müllers volle Konzentration der WM. Ende Januar besuchte sie noch einmal ihre Oma in Künsebeck, dann begann in Moskau die heiße Phase der Vorbereitung. Nach fast einjähriger Trennung trainiert das Duo in der 14.000 Zuschauer fassenden Megasport-Arena wieder unter den strengen Augen von Anjelika Krylova. Die Silbermedaillengewinnerin der Olympischen Spiele 1998 „hat in der vergangenen Woche den letzten Saft aus uns herausgepresst. Das war physisch sehr anstrengend", berichtet Katharina Müller. Auch die zweifachen Eistanz-Weltmeister Albena Denkova und Maxim Stawiski gehören in der russischen Hauptstadt zu ihrem Trainerstab.

Eine aufschlussreiche Generalprobe lieferte das Paar bei einem Wettkampf in Budapest ab. Trotzdem fällt es Katharina Müller schwer, den eigenen Leistungsstand einzuschätzen – vor allem im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz. „Für manche Paare wird es der erste Wettkampf überhaupt seit einem Jahr sein", berichtet sie.

Platz unter den besten 15 Ländern bringt Deutschland zu Olympia

Unsicher ist sie auch, wie sich das Fehlen der Zuschauer in Stockholm auf die Kräfteverhältnisse unter den weltbesten Eistänzern auswirken wird. „Es wird ungewohnt sein, auf dem Eis nur den Partner und die Musik zu hören. Das Publikum kann einem viel Energie geben", weiß Katharina Müller aus langjähriger Erfahrung.

Ihre Zielvorgabe für die WM ist dagegen eindeutig: Katharina Müller und Tim Dieck wollen Deutschland unter den besten 15 Ländern platzieren, um so den deutschen Startplatz für die Olympischen Spiele ein Jahr später in Peking zu sichern. Dazu müssen sie in der Gesamtwertung von Kurzprogramm am nächsten Freitag (10.45 Uhr) und der Kür am Samstag (11 Uhr, beides live zu sehen auf ARD One) mindestens zehn der 33 Konkurrenten aus insgesamt 25 Nationen hinter sich lassen. „Es lastet viel Verantwortung auf uns", sagt Katharina Müller, „deshalb versuche ich gar nicht erst darüber nachzudenken".

Ob sich die beiden im Erfolgsfall im nächsten Jahr tatsächlich den Traum von Olympia erfüllen dürften, steht in den Sternen. Für eine Nominierung müsste das Paar seine Führungsposition in Deutschland neu bestätigen. Katharina Müller wird sich nach der Rückkehr aus Stockholm deshalb nur eine kurze Erholungsphase in Deutschland gönnen, ehe schon wieder die Vorbereitung auf die nächste Saison beginnt. Denn eins ist klar: „Die Konkurrenz ist uns auf den Fersen. Wenn wir Urlaub machen, werden die anderen trainieren."

Kommentare

Um Ihren Kommentar abzusenden, melden Sie sich bitte an.
Sollten Sie noch keinen Zugang besitzen, können Sie sich hier registrieren.

Mit dem Absenden des Kommentars erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion an.