Altkreis Halle. Thomas B. muss nicht lange überlegen. Obwohl der 46-Jährige mit seiner Homosexualität offen umgeht, möchte er nicht mit seinem richtigen Namen in der Zeitung stehen. „Ich habe das nie groß herumposaunt", sagt er. Nicht aus Angst vor Anfeindungen, wie er betont: „Ich bin einfach nicht so. Ich möchte nicht darauf reduziert werden, schwul zu sein." Diejenigen, die ihn fragen, bekommen eine ehrliche Antwort. Immer. Auch seine Mannschaftskollegen.
Mit acht Jahren beginnt B. das Handballspielen in einem Altkreis-Verein. Später betreut er Junioren- und Seniorenmannschaften. Damit ist vor etwa zwei Jahren Schluss. „Ich wollte mehr Zeit für mich und meinen Mann haben", sagt der Handballer. Mit seinem Partner ist er seit 15 Jahren zusammen, seit August 2008 verheiratet. Bei Teamevents treten die beiden als Paar auf. Dumme Sprüche gibt es keine. „Das war für niemanden ein Problem", erinnert sich B. Und doch ist Homosexualität im Sport weiter ein Tabuthema.
Weder im deutschen Profifußball noch im -handball haben sich Aktive bisher geoutet. Auch im Amateurbereich geschieht das selten. Aber natürlich gibt es sie. Allein nach den Regeln der Statistik muss es sie geben: Je nach Schätzung sollen weltweit zwischen fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell sein. Zahlreiche Schiedsrichter, Funktionäre und Spieler sind also schwul. Doch nicht nur in Spielfeldnähe spielen sie eine Rolle und verstecken sich. Im schlimmsten Fall führen sie Scheinehen. B. hat eine einfache Erklärung: „Eigentlich sollte die sexuelle Orientierung beim Sport oder im Leben für andere keine Rolle spielen, aber noch immer ist schwul ein Schimpfwort", sagt er. Fußballer spielen „schwule Pässe", Handballer führen „Zweikämpfe wie Mädchen". B. hat seine Duelle immer „hart, aber fair geführt." Das sagt er und lacht.
„Vor dem Outing lebt man ein Doppelleben"
Die Angst vor Diskriminierung sei viel zu groß. „Profisportler sind durch die modernen Medien sehr gläsern", sagt B. Sie wollen keine Angriffsfläche bieten. Und wieder andere wollen es schlicht nicht wahrhaben, vermutet er. B. selbst habe lange gebraucht, um seine Homosexualität zu begreifen. „Das erste Mal darüber nachgedacht habe ich vielleicht mit 21", sagt er. Mit 25 hatte er es „für sich dann klar". Erst zwei Jahre später outet sich B.
„Vor dem Outing lebt man ein Doppelleben", sagt der 46-Jährige. Schließlich wüsste man nicht, wie das Umfeld reagiere. „Außerdem muss man selber erstmal damit klarkommen", sagt er. Seine Familie hat die Homosexualität des Sohnes gut aufgenommen. „Einzig für meinen Vater war das anfangs ein Problem", erzählt B. Der inzwischen verstorbene Mann habe aber nach und nach Verständnis entwickelt. „Meine Mutter hat ohnehin schon was geahnt", sagt B. und lacht: „Wahrscheinlich können Mütter das einfach." Sein Partner ist im familiären Umfeld akzeptiert. Kennengelernt haben die beiden sich in Gütersloh im »GetInn« dessen Mitbegründer B. ist. Der Jugendtreff findet immer dienstags statt. Das Angebot richtet sich vor allem an junge Schwule und Lesben sowie an dessen Freunde.
Jahrelang besucht B. die wöchentlichen Treffen. Er ist als Verantwortlicher stets Ansprechpartner und Mentor für die Jugendlichen. Doch nicht nur dort: Auch im Handballverein suchen über die Jahre immer mal junge Leute seinen Rat. Auch, wenn es um die sexuelle Orientierung geht. „Einmal kam ein Jugendspieler zu mir und meinte, wir müssten reden", sagt B. „Als dieser dann zu mir sagte, dass er schwul sei, habe ich ihn unterstützt und bestärkt", erinnert er sich. Mittlerweile sei der ehemalige Nachwuchsspieler ebenfalls mit einem Mann verheiratet.
„Die wenigsten Schwulen sind tuntig oder tragen Leder"
Und obwohl B. eigentlich hauptsächlich positive Erfahrungen macht, ist ihm auch Homophobie schon begegnet. Im Urlaub auf Rügen. Als er händchenhaltend mit seinem Partner durch den Ort schlenderte und plötzlich ein Auto hielt. „Der Fahrer hat uns beschimpft – grundlos", sagt B. Einige Worte, die fielen, seien nicht zitierfähig. Dieses Verhalten stimme ihn nachdenklich. „Die wenigsten Schwulen sind tuntig oder tragen Leder", sagt er. Die gängigen Klischees seien eher die Ausnahme als die Regel: „Im Prinzip lieben wir wie Heterosexuelle auch – nur statt dem anderen dasselbe Geschlecht."
Solange, wie es diese Beleidigungen gebe, könne B. nachvollziehen, dass Profisportler von einem Outing Abstand nehmen. „Obwohl ich das Schade finde", sagt er. Und auch wenn sein Beispiel beweist, dass die Furcht vor Homophobie häufig unbegründet ist, räumt B. ein: „Als Profi würde ich mir ein Outing auch zweimal überlegen."