
Versmold. Lias Engler spielt mittlerweile seit knapp drei Jahren Billard. Zusammen mit seinem Bruder Ole trat der heute Elfjährige 2015 der Spvg. Versmold bei. Das Spiel hatte er sich damals ganz anders vorgestellt: „Ich war total erschrocken, dass keine Löcher im Tisch sind." In der Tat ist die in Deutschland gängigste Form dieses Sports das Poolbillard, bei dem die Kugeln in sechs Taschen zu versenken sind. In Versmold hingegen wird seit nunmehr 37 Jahren »Carambolage« gespielt. „Bis irgendwann Pool aus den USA bei uns populär wurde, wurde nur das in den Kneipen gespielt", erläutert Michael Klinksiek, Spieler des Versmolder Bezirksliga-Seniorenteams und Nachwuchstrainer bei der Spvg.
„Ein Auswärtsspiel bei Kamen hat schon fast Derbycharakter"
Anders als beim Pool ist die Szenerie auf dem Tisch beim sogenannten Carambol viel übersichtlicher. Es liegen gerade mal drei Kugeln auf dem grünen Filz. Die weiße Kugel wird vom Spieler immer zuerst gespielt. Das Ziel besteht darin, mit dieser Kugel die beiden anderen in einem Stoß zu berühren. Gelingt das, bekommt der Spieler einen Punkt und darf seine Serie fortführen. Das Spiel endet, wenn einer der Spieler eine festgelegte Punktzahl erreicht hat. Es gibt zahlreiche Unterdisziplinen und weitere Spielformen, doch im Juniorenbereich wird in der Regel die »Freie Partie« praktiziert.
Lias Engler ist damit mittlerweile bestens vertraut. Das wöchentliche Training zahlt sich für ihn aus: Oft denkt der Versmolder vier Bandenberührungen voraus, um einen Punkt zu machen. „Wenn er dabei bleibt, kann er richtig was reißen", lobt Trainer Klinksiek. Dass die Spvg. nun erstmals seit 2002 eine Mannschaft für eine Juniorenliga meldet, ist für Englers Entwicklung sicher nur förderlich.
Möglich war die Meldung wegen des Zusammenschlusses aller Juniorenteams zu einer NRW-Liga, in der nun sechs Mannschaften teilnehmen. Wie groß die Nachwuchsprobleme in dieser Sportart sind, verdeutlicht dieser Umstand: Die Spvg. Versmold ist der einzige Verein im »Bereich Dortmund«, der eine Juniorenabteilung führt. Neben Lias und seinem 15-jährigen Bruder Ole tritt der 17-Jährige Nico Dallmann für die Spvg. an.
Weil sie bislang nur bei Vereinsmeisterschaften an Wettkämpfen teilnahmen, freuen sich die Nachwuchsspieler sehr darüber, nun einem Team anzugehören, das Liga-Spiele bestreitet. Dass die längste Auswärtsfahrt sie bis nach Stolberg-Dorff führt, das in der Nähe von Aachen liegt, nehmen sie locker hin. „Dagegen hat ein Auswärtsspiel bei Kamen schon fast Derbycharakter", scherzt der ehemalige Oberligaspieler Klinksiek. Bei der ersten Aufgabe wussten die jungen Queue-Künstler zu überzeugen: Auswärts beim DBC Bochum holten sie einen Sieg und ein Unentschieden.
„Von zehn bis 99: Billard kann man in jedem Alter spielen"
Wegen der beträchtlichen Distanzen werden Hin- und Rückspiel an einem Tag ausgetragen. Pro Monat gibt es einen achtstündigen Spieltag. Welche Qualitäten da gefordert sind, verdeutlicht Klinksiek mit dieser Aussage: „Man braucht die Konzentrationsfähigkeit vom Schützen, die Intelligenz vom Schachspieler und die Ausdauer vom Langstreckenläufer."
Eine trainierte Nacken- und Rückenmuskulatur ist wichtig, um Muskelkater zu vermeiden, betont Klinksiek und widerspricht damit dem Klischee, Billard sei kein richtiger Sport. Klinksiek, seit mittlerweile 30 Jahren Vereinsmitglied bei der Spvg., sieht sogar einen großen Vorteil gegenüber anderen Sportarten: „Von zehn bis 99 Jahren – Billard kann man in jedem Alter spielen." Bei der Spvg. Versmold darf man also guter Hoffnung sein, dass der Billardnachwuchs dem Verein noch lange erhalten bleiben wird.
Die Anfänge des Billard
Ob die Ursprünge des Spiels in Frankreich oder Großbritannien liegen, ist nicht geklärt. In einer der frühesten Erwähnungen heißt es jedoch, der französische König Ludwig XI. habe 1470 einen Billardtisch erworben. Die meisten Theorien zu den Ursprüngen lassen auf eine Verwandtschaft mit Cricket, Croquet oder Golf schließen. Ab dem 13. Jahrhundert finden sich Hinweise auf Ballspiele auf dem freien Feld. Um das Spiel auch bei schlechtem Wetter betreiben zu können, verlegte man das Geschehen in geschlossene Räume und dort schließlich auf einen Tisch.