Die schnelle Räumung des Dortmunder Hochhauskomplexes «Hannibal» vor über acht Jahren war nicht rechtens. Das hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden. Es habe zu dem Zeitpunkt keine aus Sicht des Brandschutzes unmittelbare Gefahr gegeben, um das gesamte Gebäude mit seinen 400 Wohnungen so schnell räumen zu müssen, begründete das Gericht.
Die Einschätzung der Stadt Dortmund und deren Berufsfeuer sei falsch gewesen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Der 7. Senat des OVG ließ keine Revision zu. Dagegen kann die Stadt Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
Das Gericht stützte sich bei einer seiner Entscheidung auf die Bewertung eines vom Gericht bestellten Gutachters. Der hatte im Jahr 2017 zwar zahlreiche Brandschutzmängel in dem Gebäude gesehen, aber in der Zusammenschau keine unmittelbare Gefahr erkannt. Die Stadt Dortmund hatte dem in der mündlichen Verhandlung erneut widersprochen. Aus der Sicht der Berufsfeuerwehr hat der Experte in seinem Gutachten falsche Maßstäbe angelegt.
Gericht: Nicht alle Mängel in einen Topf werfen
Der Vorsitzende Richter Jens Saurenhaus betonte, welch schwierige Frage sein Baurechtssenat mit diesem Fall zu klären hatte. «Wir hängen als Senat den Brandschutz immer hoch. Und wir beklagen, dass Behörden nicht schnell genug reagieren», sagte Saurenhaus nach dem Urteil. Aber in diesem Fall habe die Stadt nach einer ersten Brandschau nicht genug ermittelt, was der Besitzer hätte machen können, um die Mängel Schritt für Schritt zu beseitigen, so der Jurist.
Aus dieser Situation habe sich bei der Stadt eine Dynamik entwickelt, die den klaren Blick verstellt habe. Es habe viele Mängel gegeben, aber diese hätten nicht alle in einen Topf geworfen werden dürfen, «um dann die Menschen über Nacht aus ihren Wohnungen zu werfen», sagte der Vorsitzende Richter des 7. Senats.
Die Stadt hatte Mängel bei der Nutzung der Sicherheitstreppenhäuser gesehen und befürchtet, dass sich Feuer und Rauch über die Aufzug- und Installationsschächte schnell verbreitet. Die Schwelle für die Räumung des gesamten Gebäudes sei damit aber nicht erreicht gewesen, so das Gericht.
Eine erste mündliche Verhandlung am 7. Juli hatte das OVG noch nach einer mehrstündigen Beratung abgebrochen. Bei der Fortsetzung wurde der vom Gericht bestellte Gutachter erneut vernommen.
Stadt prüft Rechtsmittel
Die Stadt will jetzt prüfen, ob sie Rechtsmittel einlegt. Zu möglichen Schadensersatzforderungen gegenüber der Stadt wollten sich die Anwälte des ehemaligen Besitzers des Hochhauskomplexes im OVG gegenüber der Deutschen Presse-Agentur nicht äußern.

