Bünde/Detmold (dpa/ww/jk/bth). 34 Männer und eine Frau haben in Nordrhein-Westfalen am Mittwoch frühmorgens unangekündigten Besuch bekommen: Bei einem landesweiten Einsatz in Nordrhein-Westfalen wurden 35 Objekte in 27 Städten durchsucht - auch die Polizeibehörden aus den Kreisen Herford und Lippe waren im Einsatz. Der Grund: Die Beschuldigten werden verdächtigt, über einen Messenger-Dienst Foto- und Videodateien mit kinderpornografischem Material ausgetauscht zu haben. Dabei hätten die Beamten deutlich mehr als 500 Datenträger beschlagnahmt, berichtete Christoph Hebbecker, Sprecher der zentralen Cybercrime-Einheit bei der Staatsanwaltschaft in Köln (ZAC NRW).
Der Austausch der pornografischen Dateien habe funktioniert wie eine Online-Musiktauschbörse, nur dass es um schwerste Missbrauchsdarstellungen gegangen sei, so die Beamten. Festnahmen habe es jedoch nicht gegeben. "Die Tatsache, dass Missbrauchsabbildungen auch über ganz gewöhnliche Messenger-Dienste geteilt werden, zeigt das Ausmaß des Problems von Kinderpornografie im Netz auf", wird Markus Hartmann, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen, in einer Mitteilung zitiert. "Wir werden daher unsere konsequente Verfolgungsstrategie ungemindert fortsetzen, mit Aktionstagen wie dem heutigen und vielen anderen Maßnahmen."
Betroffene oder Menschen, die einen Missbrauch vermuten, können sich kostenfrei und anonym an das "Hilfetelefon Sexueller Missbrauch" wenden: 0800-22 55 530. Weitere Infos zu Beratungs- und Hilfeangeboten vor Ort gibt es unter: www.hilfeportal-missbrauch.de
Kinder und Jugendliche, die Missbrauch erlebt haben, können sich montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr an die "Nummer gegen Kummer" (116 111) wenden. Auf www.nummergegenkummer.de gibt es auch die Möglichkeit, mit den Beratern zu chatten.
Wer sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlt oder pädophile Neigungen bei sich vermutet, findet Ansprechpartner beim Projekt "Kein Täter werden" der Berliner Charité. Auf www.kein-taeter-werden.de und unter 030-450 529 450 gibt es kostenlose Informationen. Es gilt die ärztliche Schweigepflicht.
"Der Kampf gegen Kinderpornografie ist ein Langstreckenlauf, bei dem wir nicht nachlassen“, sagte Ingo Wünsch, Direktor des Landeskriminalamtes NRW.
Damit sich die Verdächtigen über den Messenger-Dienst nicht gegenseitig warnen, sei die Durchsuchung bei ihnen gleichzeitig erfolgt. In fast allen Fällen sei die Polizei an der Wohnadresse und nur in einem Fall an einer Geschäftsadresse vorstellig geworden. Die mehr als 500 Datenträger müssten nun ausgewertet werden. Den Verdächtigen droht eine Anklage oder ein Strafbefehl wegen Besitzes oder Besitzes und Verbreitung von Kinderpornografie.
Beamte aus OWL im Einsatz
Die Hinweise auf die Verdächtigen seien von der US-Organisation NCMEC (Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder) gekommen. Die großen US-Internetunternehmen scannen ihren Datenverkehr auf Kinderpornografie und geben Treffer an die NCMEC weiter, die sie, wenn deutsche Nutzer darunter sind, an das Bundeskriminalamt weitergibt.
Beteiligt an den Verfahren sind das Landeskriminalamt NRW sowie die Polizeibehörden Bochum, Bonn, Borken, Wesel, Essen, Gelsenkirchen, Herford, Hochsauerlandkreis, Kleve, Köln, Lippe, Lüdenscheid, Mönchengladbach, Oberbergischer Kreis, Oberhausen, Rhein-Erft-Kreis, Rhein-Kreis Neuss, Rhein-Sieg-Kreis, Warendorf, Wesel und Wuppertal.
23-Jähriger im Kreis Lippe beschuldigt
Im Kreis Lippe hat es nach Angaben des Kölner Staatsanwaltes Christoph Hebbecker eine Durchsuchung gegeben. Beschuldigt wird ein 23-jähriger Mann, der an seiner Wohnanschrift angetroffen worden sei. "Bei dem Einsatz hat es keine Probleme gegeben", sagt Christoph Hebbecker. Wo genau der Einsatz in Lippe stattgefunden hat, wollte die Kölner Staatsanwaltschaft nicht preisgeben. "Es handelt sich um einen recht kleinen Ort, daher wäre der Beschuldigte leicht identifizierbar." Die Polizei habe höchstwahrscheinlich Beweismaterial sichergestellt. Alles Weitere müssten die Ermittlungen zeigen. In Bünde (Kreis Herford) sei die Wohnung eines 22-jährigen Mannes durchsucht worden, so Hebbecker weiter. „Er ist nicht festgenommen worden.“
Dass Beschuldigte kinderpornografische Dateien nicht verschlüsselt oder übers Darknet verbreiteten, ist übrigens keine Seltenheit. "Wir haben regelmäßig mit Tatverdächtigen zu tun, die solche Datein über das Clearnet austauschen", sagt Hebbecker. Gemeint ist damit der Teil des Internets, der frei zugänglich ist.