Landtagswahl 2022 in BielefeldLandtagswahl am Sonntag: Alles Wissenswerte über die heimischen Kandidaten

Im Wahlkreis 94 geht es zur Sache. Es wird damit gerechnet, dass sich Thorsten Klute (SPD) und Mechthild Frentrup (CDU) ein Kopf-an-Kopf-Rennen um das Direktmandat liefern werden. Schon vor fünf Jahren war die Entscheidung hauchdünn ausgefallen.

Michael Schläger, Christine Panhorst, Marc Uthmann, Frank Jasper, Stefan Becker, Sebastian Kaiser, Joachim Uthmann

Blick vom Teutoburger Wald auf Kirchdornberg - wer im Wahlkreis 94 wählt, wohnt entweder in den Bielefelder Stadtteilen Dornberg und Jöllenbeck oder im Norden des Kreises Gütersloh. - © Montage: dpa/Stefan Gerold
Blick vom Teutoburger Wald auf Kirchdornberg - wer im Wahlkreis 94 wählt, wohnt entweder in den Bielefelder Stadtteilen Dornberg und Jöllenbeck oder im Norden des Kreises Gütersloh. © Montage: dpa/Stefan Gerold

Bielefeld. Der Landtagswahlkreis Gütersloh I - Bielefeld III (Wahlkreis 94) umfasst den Westen und den Norden der Stadt Bielefeld mit den Stadtbezirken Dornberg und Jöllenbeck sowie die Gemeinden Halle, Steinhagen, Versmold, Borgholzhausen und Werther aus dem Kreis Gütersloh. 93.900 Personen sind hier wahlberechtigt.

Wenn am 15. Mai 2022 die Landtagswahl stattfindet, werden die Direktkandidatinnen und -kandidaten des Wahlkreises mit der Erststimme direkt in den Landtag gewählt. Mit der Zweitstimme wird eine Partei oder Wählervereinigung gewählt. Über deren Listen ziehen weitere Vertreterinnen und Vertreter in den Landtag ein. Insgesamt haben 29 Parteien Listen für die Landtagswahl aufgestellt.

Torsten Klute von der SPD (l.) und Mechthild Frentrup von der CDU sind die Haupt-Kontrahenten im Wahlkreis 94. - © Oliver Krato/ Sarah Jonek
Torsten Klute von der SPD (l.) und Mechthild Frentrup von der CDU sind die Haupt-Kontrahenten im Wahlkreis 94. (© Oliver Krato/ Sarah Jonek)

Im Wahlkreis 94 gibt es acht Direktkandidatinnen und -kandidaten. Die sechs Bewerberinnen und Bewerber der größten Parteien stellt die NW auf Themenseiten und in Einzelporträts vor - folgen sie dafür den jeweiligen Links.

Die sechs Kandidatinnen und Kandidaten der größten Parteien im Porträt

Thorsten Klute (SPD): Der 48-jährige Versmolder kandidiert zum ersten Mal für den Landtag, und doch „wäre es eine Rückkehr für mich". Klute arbeitete von 2013 bis 2017 als Staatssekretär für Integration unter der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. „Wir hatten wie heute mit einer hohen Zahl geflüchteter Menschen zu tun – und man konnte sehen, dass sich für sie etwas bewegen lässt." Von der aktuellen Landesregierung wünscht sich der Sozialdemokrat „mehr Koordination". Denn es gelte, die Anerkennungsregeln für ukrainische Geflüchtete zu lockern. „Es kommen viele Kinder zu uns. Wer soll die künftig betreuen? Wir brauchen die ukrainischen Erzieherinnen und Erzieher."

Klute, der 2013 erfolglos gegen Ralph Brinkhaus für ein Bundestagsmandat kandidierte, gibt sich überzeugt, dass in Düsseldorf viel bewegt werden kann: „Dort haben die Abgeordneten mehr Kontakt zu den Kommunen." Beschließe man in Düsseldorf, die Investitionen in den ÖPNV zu erhöhen, „steigt die Wahrscheinlichkeit für den Weiterbau der Bielefelder Stadtbahn bis Jöllenbeck". Für den Juristen steht fest: „Der Elfenbeinturm in Berlin ist deutlich höher."

In der Bildungspolitik will Klute seine soziale Erfahrung einbringen – als Vorstand der Arbeiterwohlfahrt OWL ist er noch bis zum 31. Mai für tausende Mitarbeitende verantwortlich –, dann wird er den Posten räumen. Die kommunale Perspektive kennt Klute aus seiner Zeit als Versmolder Bürgermeister.

Der Krieg wirke derzeit wie ein Brennglas auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, so der SPD-Mann. „Die Energiekosten steigen, Mobilität droht zum Luxus zu werden – wir müssen das ÖPNV-Angebot also verbessern und besser mit dem Individualverkehr vernetzen." Dafür solle Düsseldorf die Ausgaben auch erhöhen, so richtig die Schuldensenkung der vergangenen Jahre gewesen sei. Auch die Energiewende gelte es in NRW zu forcieren, eindeutig auch mit weniger strengen Abstandsregeln für Windkraft.

Woher er seinen Mut in schweren Zeiten nimmt? „Aus der Familie, aus Erfahrung und aus meinem Glauben", sagt der Vater einer 16- und einer zwölfjährigen Tochter. Daher nimmt er die Hoffnung, dass Politik glaubwürdig bleibt: „Es darf nicht der gewinnen, der am geschicktesten manipuliert." Thorsten Klute hat große Ziele – und wäre als Favorit bei der SPD-Ausscheidung im Oktober dennoch beinahe an Jan Goldberg gescheitert. Eine Stimme entschied. Wirkt das nach? „Das ist längst Geschichte und zeigt, dass ich das Mandat nicht geschenkt bekommen habe. Ich spüre den Rückhalt der Partei."

Mechthild Frentrup (CDU) ist ebenfalls neu dabei als Landtags-Kandidatin. Knapp ließ sie ihre parteiinterne Vorgängerin Birgit Ernst hinter sich und geht nun für die Christdemokraten ins Rennen. Beruflich berät Frentrup Firmen in der Landwirtschaft und sitzt im Aufsichtsrat einer Großgenossenschaft.

„In diesem Wahlkreis verbinden sich Stadt und Land wie in kaum einer anderen Region in NRW", sagt Mechthild Frentrup. Für die 48-jährige Steinhagenerin, die am Kreisgymnasium in Halle zur Schule gegangen ist, macht genau das den Reiz ihrer Landtagskandidatur aus. Denn nirgendwo sonst sind die Schwerpunkte ihres politischen Wirkens so sehr gefragt wie hier.

„Die drei Themen Umwelt, Wirtschaft und Nachhaltigkeit gehören für mich untrennbar zusammen", sagt Mechthild Frentrup, „und sie stehen an erster Stelle meiner politischen Agenda." Um die Folgen des Klimawandels abzumildern, müssten Unternehmen neue Technologien und Strategien entwickeln, ist die Diplom-Agraringenieurin und promovierte Agrarökonomin überzeugt.

Als Praktikerin weiß Mechthild Frentrup, wovon sie spricht. Die Mutter von drei Kindern lebt auf einem Bauernhof. Beruflich berät sie Unternehmen in der Landwirtschaft und in der Ernährungsindustrie. Seit 2015 ist sie Aufsichtsratsmitglied beim Deutschen Milchkontor, der größten deutschen Molkereigenossenschaft.

Ihr politisches Engagement begann die CDU-Politikerin als sachkundige Bürgerin im Bauausschuss ihrer Heimatgemeinde Steinhagen. Schnell vertraute ihr die Partei weitere Ämter an. Nachdem sie bei der Kommunalwahl 2020 ihr Mandat für den Gemeinderat direkt gewann, übernahm sie direkt die Fraktionsführung und die Leitung des Bauausschusses.

Ausgestattet mit einem gesunden Selbstbewusstsein und frischen Ideen verstand es Mechthild Frentrup im Oktober vergangenen Jahres, ihre Partei derart mitzureißen, dass sie für die Landtagswahl ins Rennen geschickt wurde. Ihre parteiinterne Konkurrentin Birgit Ernst, die zum zweiten Mal angetreten war, unterlag knapp.

„Die schwarz-gelbe Regierung in Düsseldorf hat in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet", sagt Mechthild Frentrup. „Viele Klimaaktivitäten wurden auf den Weg gebracht, beispielsweise die Förderpakete zur Wiederaufforstung des Waldes oder die Wasserstoff-Agenda als Baustein für eine sichere Energieversorgung." Doch die Kandidatin für den Wahlkreis 94 möchte auch lokalen Themen im Landtag mehr Gehör verschaffen.

„Wir müssen die Mobilität in der Stadt und auf dem Land besser gestalten, indem wir Radwege ausbauen und ein attraktiveres ÖPNV-Angebot schaffen", nennt Mechthild Frentrup ein Beispiel. Aktuell macht sie sich für eine direkte Busverbindung von Steinhagen nach Dornberg stark.

Martina Schneidereit (FDP) ist Touristik-Fachfrau und Kandidatin der Liberalen im Wahlkreis 94. Die 56-Jährige hatte 2020 den Einzug in den Bielefelder Stadtrat nur knapp verpasst. Heute arbeitet Schneidereit im Kulturausschuss des Rates mit und ist kulturpolitische Sprecherin ihrer Partei.

Romy Mamerow (Grüne) kandidierte für die Grünen schon bei der Kommunalwahl 2020, jetzt soll es in den Landtag gehen. Die 54-Jährige ist Marketing- und PR-Leiterin und hat in Bielefeld Parents For Future gegründet.

Meike Taeubig (Die Linke) ist gelernte Industriekauffrau und arbeitet für die Uni-Verwaltung. Seit 2020 sitzt sie für die Linken im Bielefelder Stadtrat. Diese schicken die 32-Jährige nun als Landtagskandidatin ins Rennen.

Maic Gröppel (AfD) lässt sich erstmals für eine Wahl aufstellen und will direkt in den Landtag für die AfD. Der 59-Jährige Trockenbauer kommt aus Jöllenbeck und war bisher passives Mitglied seiner Partei.

Zwei weitere Kandidaten im Wahlkreis 94

Ann-Kathrin Hanneforth (Die Partei), Jahrgang 1990, arbeitet als pharmazeutisch-technische Assistentin und wohnhaft in Steinhagen, tritt für die Satirepartei „Die Partei" an. Deren vollständiger Name lautet „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative".

Torben Schellenberg (Die Basis), Jahrgang 1990, ist Lehrer und bewirbt sich für die „Basisdemokratische Partei Deutschland" um ein Landtagsmandat. Die Partei gilt als politischer Arm der Querdenker-Bewegung. Schellenberg stammt aus Lennestadt und ist in Bielefeld zuhause.

So lief die Landtagswahl 2017 im Wahlkreis Bielefeld-Gütersloh

So sind die drei Bielefelder Wahlkreise bei der Landtagswahl 2022 aufgeteilt. - © Jürgen Schultheiß (Grafik)
So sind die drei Bielefelder Wahlkreise bei der Landtagswahl 2022 aufgeteilt. (© Jürgen Schultheiß (Grafik))

Bei der vergangenen Landtagswahl zog Georg Fortmeier für die SPD hauchdünn mit einem Ergebnis von 23.784 Erststimmen in den Landtag ein. Nicht einmal 300 Stimmen weniger verzeichnete damals seine Herausfordererin Birgit Ernst (CDU). Trotzdem ist sie 2022 nicht noch einmal dabei: Die CDU gab knapp Mechthild Frentrup als Landtagskandidatin den Vorzug. Auch Fortmeier tritt nicht noch einmal für die SPD an.

Die Grünen büßten 2017 fünf Prozentpunkte ein, kamen am Ende auf 8,6 Prozent der für sie entscheidenden Zweitstimmen. Wahlgewinner war vor fünf Jahren dagegen auch die FDP, die 12,5 Prozent Zweitstimmen auf sich vereinen konnte, ein Plus von 3,7 Prozentpunkten. Die AfD kam aus dem Stand auf 5,9 Prozent. Die Linke blieb im Wahlkreis knapp unter fünf Prozent der Zweitstimmen.

Zwei weitere Bielefelder Wahlkreise bei der Landtagswahl

Den Landtagswahlkreis 92 (Bielefeld I) hat Christina Kampmann (SPD) vor fünf Jahren zwar souverän gewonnen. Doch Ralf Nettelstroth (CDU) und Christina Osei (Grüne) dürfen sich diesmal ebenfalls Hoffnung auf das Direktmandat machen.

Im Landtagswahlkreis 93 (Bielefeld II) setzen SPD und CDU auf neue Gesichter. Sozialdemokrat Nesrettin Akay (48) trifft auf den 24-jährigen Christdemokraten Tom Brüntrup. Beide sind in Stieghorst zuhause. Das Rennen gilt als offen.

Info

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