WertherWerthers Haushaltskrise ist beendet

Massiver Schlagabtausch: Im zweiten Anlauf beschließt die Politik den Etatplan für 2019. Die Attacke der SPD gegen die CDU sucht dabei Ihresgleichen.

Anja Hanneforth

Das liebe Geld: Es löst ein Scharmützel im Saal des Hauses Werther aus, das Seinesgleichen sucht. Selten zuvor ist über einen Haushaltsplan mit derartiger Feindseligkeit gestritten worden. Foto: Anja Hanneforth - © Anja Hanneforth, HK
Das liebe Geld: Es löst ein Scharmützel im Saal des Hauses Werther aus, das Seinesgleichen sucht. Selten zuvor ist über einen Haushaltsplan mit derartiger Feindseligkeit gestritten worden. Foto: Anja Hanneforth © Anja Hanneforth, HK

Werther. Es ist mucksmäuschenstill im Saal, als SPD-Fraktionschef Rainer Schütz zur Attacke bläst. Niemand hat mit diesem Angriff gerechnet, am allerwenigsten CDU-Fraktionschefin Birgit Ernst. Sie schaut ihr Gegenüber kaum an, hat auch keine Zeit dazu, muss sich Notizen machen, um auf den Angriff zu reagieren. Schütz ist gut vorbereitet, trägt aus einem sechsseitigen Manuskript vor, Ernst muss ihre Gedanken ordnen und kontern. Dafür, dass die Kritik fast überfallartig auf sie einprasselt, löst sie die Sache souverän. Dass alle zusammen an diesem Abend den Haushalt für 2019 auf den Weg bringen, geht beim Showdown im Schloss fast unter.

21 Ja-Stimmen von SPD, UWG und FDP, 16 Gegenstimmen von CDU und Grünen: Das ist unter dem Strich das Ergebnis des Abends. Der Haushalt für 2019 ist in trockenen Tüchern, die Verwaltung kann wieder arbeiten und muss nicht bei jedem Cent überlegen, ob seine Ausgabe gestattet ist oder nicht.

Auf eine Steuererhöhung wird die Stadt verzichten. Dadurch entgehen ihr zwar bei den Grundsteuern 57.000 Euro. Allerdings fällt die Kreisumlage um 166.000 Euro geringer aus, sie erhält zusätzlich zu den bereits eingeplanten 1,2 Millionen Euro 750.000 Euro an Fördergeldern für den Umbau des ZOB und kann nun auch Gelder für einen Förderpreis bereitstellen, für die Kinder- und Jugendarbeit im Böckstiegel-Museum und die Anbahnung einer Städtepartnerschaft. Außerdem schafft sie eine von der Politik seit Jahren geforderte zusätzliche Stelle im Bauamt.

An diesem Abend fliegen die Fetzen

Das klingt nach einer guten Lösung, dennoch fliegen an diesem Abend die Fetzen. Anders lässt sich nicht beschreiben, was sich in einer Stunde Haushaltsdebatte abspielt.

Rainer Schütz legt vor: Die CDU habe den Haushalt im Dezember lediglich wegen ihrer Kritik an der Amtsführung der Bürgermeistern abgelehnt. Damit habe sie sich nicht konform zu dem verhalten, was ihre Verpflichtung nach der Gemeindeordnung NRW und der Kommunalverfassung gewesen wäre.

Schütz greift Ernst direkt an, wirft ihr „unverantwortliches Verhalten" vor, da sie das Zahlenwerk ohne Verbesserungsvorschläge oder Vorlage eines Alternativhaushalts abgelehnt habe. „Und das lediglich, um einen politischen Eklat zu provozieren. Einen Eklat zu Lasten der Bürgermeisterin. Sie haben billigend in Kauf genommen, dass der Stadt ein Schaden entsteht." Was auch passiert sei. Dadurch, dass die Verwaltung fast ein Vierteljahr keinen gültigen Haushalt hatte, habe sie viele notwendige Aufgaben nicht in Angriff nehmen können. Schütz spricht von einem „vorsätzlich herbeigeführten Stillstand" und fordert von der CDU ab sofort „seriöses Handeln".

"Gegen diesen Vorwurf verwehre ich mich aufs Schärfste!"

Mit dieser „Generalabrechnung" hat Birgit Ernst nach eigenem Bekunden nicht gerechnet. Sie weist die Vorwürfe vehement von sich, betont, ihre Fraktion habe den Haushalt keineswegs torpediert. Die Ablehnung fuße allein auf dem Zahlenwerk und dem erheblichen Defizit, das der erste Bauabschnitt Blotenberg einfahren werde.

„Und wenn wir den Eindruck gewinnen, dass am Haushalt etwas nicht in Ordnung ist, haben wir auch das Recht, ihn abzulehnen. Was ist das sonst für ein Demokratieverständnis?" Die CDU sei eben kein Abnickverein der Verwaltung, schoss sie gegen die SPD. Dass sie an der Amtsführung der Bürgermeisterin Kritik geübt habe, sei mitnichten ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung. „Gegen diesen Vorwurf verwehre ich mich aufs Schärfste!"

Der Abend, in den sich nun auch die übrigen Fraktionen einmischen, endet mit einer weiteren Spitze. Birgit Ernst: „Ich glaube ganz ehrlich, dass wir kein Haus auf dem Blotenberg sehen werden." Georg Hartl (SPD) zu der Bewerberin um ein EU-Mandat: „Vielleicht sitzen Sie dann schon in Straßburg und kriegen das gar nicht mit."

KOMMENTAR:

Über das erträgliche Maß hinaus

Was für eine heiße Stunde! Aus Werther zu berichten wird wahrhaftig nicht langweilig. Allerdings ist die Beobachterrolle das eine, die Rolle der handelnden Personen das andere. Kritik ist immer erlaubt, im politischen Diskurs sogar ein Muss. Wenn die Angriffe jedoch persönlich werden und es am Ende nur noch darum geht, wer warum auf der Weihnachtsfeier von Rat und Verwaltung wen nicht gegrüßt und wer – Zitat Birgit Ernst – die „beleidigte Leberwurst" gespielt hat, geht das über das erträgliche Maß hinaus. Dann darf sich die Politik – wieder Zitat Birgit Ernst – nicht wundern, wenn sie nicht mehr ernst genommen wird. Ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Fraktionen künftig noch möglich ist, wird sich zeigen.