Versmold. Samstagmorgen, 4.30 Uhr. Während die Bewohner der Stadt meistens noch im tiefen Schlummer liegen, treffen sich acht Tierschützer an der Klaren Straße in Oesterweg. Ihre Mission: Sie retten Rehkitze vor dem sicheren Tod durch Grasmäher.
Die Wiese an der Klaren Straße soll an diesem Tag gemäht werden. Was sich im hohen Gras verbirgt, vermuten Passanten und Landwirte auf den ersten Blick nicht. Die kleinen Rehkitze verfügen noch nicht über den Fluchtinstinkt, wie ihre älteren Artgenossen. „Sie bleiben liegen und warten auf die Ricke", erklärt Frank Flottmann, einer der Freiwilligen.
Kleine, weiße Punkte auf dem Monitor

Eins vorweg: Die Helfer werden an diesem Tag fündig. Doch ohne technische Hilfe wäre das kaum möglich. Deshalb steuert Moritz Meyer eine Drohne mit Wärmebildkamera. Am Rande der Wiese blickt er auf einen Monitor. Immer wieder tauchen kleine, weiße Punkte auf. Per Funkgerät lotst er die Helfer dorthin, wo er die kleinen Tiere vermutet. An der Klaren Straße finden sie zwei Kitze. Klaus Meyer macht den ersten Fund. Er pflückt einige Grashalme, hält diese fest und greift beherzt zu. Wenige Sekunden später der zweite Fund: Hans-Werner Potthoff entdeckt ein weiteres junges Reh. Die Tiere verfolgen aufmerksam, aber nicht panisch reagierend, was nun mit ihnen passiert.

Auf der Nachbarwiese gibt es keinen Platz. Dort weiden Kühe. Deshalb legen Meyer und Potthoff das Wild am Rand der Wiese ab und stülpen einen Korb darüber. Später, wenn die Wiese abgemäht ist, lassen sie die Tiere wieder frei.
Die Helfer um Drohnenführer Moritz Meyer nutzen die frühen Morgenstunden für ihre Suche. „Dann ist es noch kalt und wir können die Wärmepunkte besser erkennen", erläutert Meyer. Die Drohne entwickelte sich dabei in den vergangenen Jahren zum unerlässlichen Helfer für den Hegering Versmold. „Wenn wir alle Wiesen zu Fuß absuchen wollten, würde es viel zu lange dauern. Wir müssen schließlich mit dem hohen Tempo der Landwirtschaft Schritt halten", erläutert Frank Flottmann. Als „geniale Technik", beschreibt Meyer sein Fluggerät.
Naturromantik bei Anbruch des Tages
Klar steht der Tierschutz im Vordergrund, doch ein Hauch Naturromantik steckt schon hinter dem Engagement der Tierfreunde. „Wenn man erst einmal draußen ist, ist es das Schönste, was man machen kann", meint Johanna Schlünzen. Die Altenpflegerin hat an diesem Samstag noch ihren kompletten Arbeitstag vor sich. Als sie sich gegen sechs Uhr verabschiedet, ist es bereits hell.

Was sie nicht mehr mitbekommt, sind die nächsten Tierfunde der Gruppe. In einer Wiese an der Sandortstraße haben sich viele Kitze versteckt. Einige von ihnen sind schon älter. Sie flüchten. Doch drei Jungtiere bleiben liegen. Hans-Werner Potthoff, Frank Flottmann und Nancy Rekerdrees entdecken die jungen Rehe mitten im hohen Gras. Die Ricke, das Muttertier, taucht in einigen Metern Entfernung auf. Sie beobachtet, wohin die Helfer ihren Nachwuchs bringen – aufs Nachbarfeld, nur einige Meter weiter. Die Tiere entrinnen dem sicheren Tod durch die für sie verheerenden Mähwerke.
Im Einsatz ist der Hegering dieser Tage häufig. In der abgelaufenen Saison mussten die Engagierten weit mehr als 60 Mal ausrücken. Gut 90 Tieren retteten sie das Leben. Auch wer nicht so früh aufsteht, kann mithelfen. „Hunde sollten auf jeden Fall angeleint bleiben und nicht auf Wiesen gelassen werden", sagt Johanna Schlünzen. „Wer ein Tier findet, sollte es auf keinen Fall mitnehmen und stattdessen einen Fachmann informieren. Selbst, wenn die Kitze allein zu sein scheinen, sind die Ricken oft nicht weit", fügt Tassilo Marowsky hinzu.
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