VersmoldVon Hoax, Hassreden und Filterblasen

Andre Wolf klärt über Facebook-Fallen auf

87ÿSilke Derkum

Die Fakejäger: Tom Wannenmacher (links) und der gebürtige Versmolder Andre Wolf nehmen es im Internet mit Volksverhetzern, Verschwörungstheoretikern und Lügenverbreitern auf. - © Foto: Hans Hochstoeger
Die Fakejäger: Tom Wannenmacher (links) und der gebürtige Versmolder Andre Wolf nehmen es im Internet mit Volksverhetzern, Verschwörungstheoretikern und Lügenverbreitern auf. © Foto: Hans Hochstoeger

Wien/Versmold. Dass er mal Buchautor wird, hätte sich der Versmolder Andre Wolf auch nicht gedacht. Aber seit gut zwei Wochen ist sein Buch »Die Fake-Jäger – Wie Gerüchte im Internet entstehen und wie man sich schützen kann« auf dem Markt, das er zusammen mit seinem Kollegen Tom Wannenmacher geschrieben hat. Und darin berichtet der 39-Jährige von dem, was er täglich macht – Falschmeldungen im Internet nachgehen und für deren Richtigstellung sorgen.

Seit eineinhalb Jahren lebt Andre Wolf, wie bereits berichtet, in Wien und ist dort einer der zwei Köpfe des Vereins Mimikama, der die Facebook-Seite »Zuerst denken, dann klicken« betreibt. Inzwischen sind die beiden Männer in Deutschland und Österreich zu den Experten geworden, wenn es um den Umgang mit Internetgerüchten geht. „Langsam aber sicher haben wir uns diesen Ruf erarbeitet und damit eröffnen sich für uns auch Kontakte zu den wichtigen Stellen", berichtet, Andre Wolf, als das Haller Kreisblatt ihn am Telefon erreicht. Am Abend zuvor ist er von einem Workshop bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin zurückgekommen, den er gegeben hat, und muss kurz nach dem Anruf zum nächsten Termin im österreichischen Bundeskanzleramt, wo seine Expertise gefragt ist.

Die Idee mit dem Buch kam vom Münchener Verlag Komplett Media. „Die haben uns im Oktober 2015 angesprochen, ob wir Lust darauf hätten. Das hatten wir und herausgekommen ist eine kleine, muntere Reise durch fünfeinhalb Jahre soziale Netzwerke", beschreibt Wolf.

Und so geht es auch eher noch harmlos los mit einem Kapitel über Hoax’. Das sind bewusst verbreitete Falschmeldungen, die aber keinen größeren Schaden anrichten. Außer vielleicht, dass man sich ein wenig lächerlich macht, wenn man guten Glaubens auf seiner Facebookseite den Text postet, mit dem man den Facebook-AGBs widerspricht. Das hat nämlich absolut keine rechtliche Wirksamkeit und macht nur den Machern dieser Falschmeldung Freude.

„Hassrede ist inzwischen ganz normal geworden"

„Ebenfalls bekannte Hoax’, die seit Jahren durchs Internet kreisen, sind die angeblichen Warnungen vor HIV-infizierten Nadeln in Kinosesseln oder vor den weißen Lieferwagen, die Katzen oder Kinder entführen", erzählt Andre Wolf. In dem Buch geht er dem Ursprung dieser Dauerbrenner nach.

Fast harmlos im Vergleich zu dem, womit Wolf und Wannenmacher seit 2015 im Netz konfrontiert sind. „Fremdenfeindliche Beiträge gab es schon immer, aber nicht so viele", sagt der 39-Jährige. Es sei los gegangen mit diesen Falschmeldungen, dass Flüchtlinge Ebola eingeschleppt hätten, berichtet er, und irgendwann habe sich der allgemeine Ton verändert. »Hate Speech«, also Hassrede, durch die Menschen herabgewürdigt oder diffamiert würden, sei normal geworden. „Viele wollen einfach nicht faktenbasiert, sondern meinungsbasiert diskutieren", sagt er. Die Kapitel »Reichsbürgerei & Verschwörungen« und »Soziale Medien und Manipulation« sind diesen traurigen Phänomenen gewidmet.

Und auch wenn Facebook oder Google sich strikt weigern, zu verraten, nach welchen Kriterien sie Nachrichten filtern oder Suchanfragen beantworten – gibt es natürlich auch dazu interessantes zu lesen. Denn jeder Nutzer schafft sich unbewusst seine eigene Filterblase und blendet damit andere Themen und Meinungen aus. „Wenn ich als Hobbykoch nach Rezepten google oder Rezeptideen like bekomme ich irgendwann nur noch Themen rund ums Kochen angezeigt", erklärt Andre Wolf.

Eigentlich toll, „aber es führt dazu, dass ich glaube, alles dreht sich nur noch ums Kochen und alle anderen denken genauso", sagt Andre Wolf. Genau das passiere natürlich auch bei politischen Postings und da sei eine solche Weltsicht gefährlich. „Deshalb ist mein Tipp, sich niemals zu entfreunden mit Leuten, die eine andere Meinung haben", sagt Wolf. Damit manipuliere man sich nur selbst.

Ganz zum Schluss beschäftigen sich die Autoren noch mit einem Thema, das ihnen besonders am Herzen liegt. Der sogenannten »Lügenpresse«: „Die Dreistigkeit alternativer Meinungsmedien, klassische journalistische Arbeit als »Lügenpresse« zu bezeichnen, hat tatsächlich dazu geführt, dass sie von vielen Teilen der Leserschaft in ihrem Informationsgehalt echter journalistischer Arbeit gleichgesetzt werden." Da viele Nutzer sich politisch auf Facebook informieren, fiele es ihnen immer schwerer zwischen professionellem Journalismus und meinungsbildendem Blog zu unterscheiden, sagt Wolf. Aber auch, wenn jeder auf Facebook schimpfe. „Es ist der Netzwerk-Gigant – und dazu gibt es keine Alternative."

Tom Wannenmacher, Andre Wolf: Die Fake-Jäger – Wie Gerüchte im Internet entstehen und wie man sich schützen kann, Komplett-Media-Verlag, 18 Euro.