Altkreis Halle. »Fridays for Future«, der Erdrutscherfolg der Grünen bei der EU-Wahl oder der viel diskutierte Rekordsommer 2018 – die Sorge um den »Klimawandel« scheint in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen zu sein. Das Wetterphänomen selbst ist es offenbar schon lange. Das beweist die Natur, die sich bereits auf höhere Temperaturen einstellt, wie Dr. Reinhard Fischer erläutert. Der Forscher der Universität Bielefeld und Mitautor des Klimareportes Bielefeld, erklärt im Interview, wie der Klimawandel funktioniert und was er konkret für den Altkreis bedeutet.
Ein heißer Sommer macht noch keinen Klimawandel. Erklären Sie kurz: Was ist der Unterschied zwischen Wetter und Klima?
REINHARD FISCHER: Die drei üblichen Begriffe Wetter, Witterung und Klima beschreiben den Zustand der Atmosphäre für unterschiedliche Zeiträume. Das Wetter meint einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu zirka zwei Wochen, die Witterung bezieht sich auf mehrere Monate bis zu Jahreszeiten, Klima benennt meist den mehrjährigen Verlauf der atmosphärischen Parameter.
An welchen Wetterveränderungen zeigt sich der Klimawandel bei uns in der Region konkret? Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Gefahren?
FISCHER: Bei der Auswertung langjähriger regionaler Daten ist erkennbar, dass es einen Temperaturtrend gibt, der bei etwa plus 0,9 Grad Celsius pro Dekade liegt. Da-
rüber hinaus hat sich der Jahresniederschlag etwas verringert, besonders deutlich im Frühjahr.
Wirkt sich die Erwärmung überall gleich stark aus?
FISCHER: Die Erwärmung ist auf der regionalen Ebene deutlich verschieden.
Wie entstehen lokale Extremwetterlagen? Werden sie sich noch verstärken?
FISCHER: Sucht man nach Extremen, muss unterschieden werden zwischen Trockenheiten und Niederschlagsereignissen. Die zunehmenden Trockenphasen sind in der Regel durch Verschiebung der Zugbahnen von Hoch- und Tiefdruckgebieten verursacht. Eine Begründung hierfür ist Gegenstand der Forschung.
Und wie kommt es zum Starkregen?
FISCHER: Größere Niederschlagsereignisse sind zum einen durch den Aufprall stark unterschiedlicher Frontsysteme überregional verursacht. Konvektive Luftbewegungen (aufsteigende Luft transportiert Wärme, Anm. d. Red.) können dagegen sehr kleinräumigen Starkregen auslösen. Insgesamt lässt sich bisher keine Zunahme von Starkregen statistisch nachweisen.
Wie geht es in den kommenden fünf Jahren weiter?
FISCHER: Wir erwarten eine weiter steigende Durchschnittstemperatur und einen Rückgang der Frühjahrsniederschläge.
Leidet auch die menschliche Gesundheit unter dem Klimawandel?
FISCHER: Das leider benutzte Wort »Hitzetote« sollte man vermeiden. Hitze tötet niemanden. Es gibt aber sehr wohl unangepasstes Verhalten bei vermehrten Hitzeperioden. Dazu liefert der Deutsche Wetterdienst regelmäßig Warnungen und Empfehlungen.

Können Sie aus Ihrer Forschung Handlungsempfehlungen ableiten?
FISCHER: Auf der kommunalen Ebene werden zunehmend Klimaanpassungskonzepte erarbeitet, die als Grundlagen die bisher schon vielfältigen Untersuchungen berücksichtigen. Die Handlungsempfehlungen betreffen alle Aspekte der Stadtplanung von Hochwasserschutz bis zur Erhaltung von Frischluftschneisen.
Zuletzt für alle Skeptiker: Wie belegen Sie, dass der Klimawandel tatsächlich menschengemacht ist?
FISCHER: Die Untersuchung der Ursache des Klimawandels ist eine globale wissenschaftliche Aufgabe, bei der unterschiedliche Antworten zum Wesen naturwissenschaftlichen Arbeitens gehören. Indirekt kann man schon vermuten, dass es nicht ohne Konsequenzen bleibt, wenn der Mensch in kurzer Zeit den zuvor in Jahrmillionen abgelagerten Kohlenstoff in die Atmosphäre schickt.
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