
Halle. Vor kurzem haben wir in der Redaktionskonferenz über den Begriff "Altkreis Halle" gesprochen. Genauer gesagt darüber, ob wir ihn in unserer täglichen Arbeit abschaffen wollen. Irgendwann muss man sich von Dingen lösen, seit vielen Jahren wachsen die Menschen im Kreis Gütersloh auf - und wenn der in diesem Jahr 50 Jahre alt wird, wäre es doch mal an der Zeit, auch journalistisch nach vorne zu blicken. Zeit also, unsere Region angemessen zu feiern.
Und mitten in diese Überlegungen hinein platzt der Bankenstreit um die Fusion zwischen den Kreissparkassen Halle und Wiedenbrück. Darüber, was da aus meiner Sicht falsch läuft, habe ich mich in der Vorwoche bereits ausführlich ausgelassen. Aber nun bekommt die Auseinandersetzung plötzlich eine ganz neue Note. Indem gleich eine Bürgermeisterin und drei Bürgermeister aus dem Norden des Kreises - Sie merken, ich bemühe mich um moderne Wortwahl - gegen die Pläne zu Felde ziehen.
Mit Argumenten wohlgemerkt, die nicht von der Hand zu weisen sind. Vor allem die angemessene Beteiligung der Räte in den Kommunen der Geschäftsgebiete und mehr Transparenz fordern sie völlig zu recht ein. Mir geht es aber diesmal um etwas anderes: Dokumentiert dieser neuerliche Streit nicht wieder einmal, dass der Kreis Gütersloh auch 50 Jahre nach seiner Gründung nur ein Kunstgebilde ist? Gibt es immer noch die nicht nur konfessionellen Gräben zwischen Nord und Süd?
Der Kreis als rationale Zweckgemeinschaft

Als ich darüber nachdachte, fiel mir ein Interview wieder ein, das ich vor gut zwei Jahren zum Auftakt der zweiten Corona-Welle mit dem heimischen Historiker und Vorsitzenden des Kreisheimatvereins, Rolf Westheider, geführt habe. Damals war eine Analyse über ein mögliches Nord-Süd-Gefälle bei der Ausbreitung des Corona-Virus im Kreis - getrieben vom Tönnies-Ausbruch - der Anlass. Es ging um Stigmatisierungen und darum, dass der "Norden" sich gerne vom "Süden" abgrenzen würde, nach dem Motto: Mit Tönnies haben wir nichts zu tun. Westheiders harte Schlussfolgerung damals: "Der Kreis Gütersloh ist nicht mehr als eine zweckrationale Verwaltungsgemeinschaft. Niemand hängt sein Herz daran."
Sieht er das heute auch noch so? Gespräch am Freitagmorgen. "Die Sparkassen-Debatte hatten wir auch schon vor 50 Jahren", sagt Westheider. Und fügt bestimmt an: "Die Sparkassen-Krise ist keine Kreis-Krise." Natürlich sei beim Zusammenwachsen der Region auch nach fünf Jahrzehnten immer noch viel Diplomatie gefragt. "Und es gibt gerade in Halle auch noch so etwas wie einen kollektiven Minderwertigkeitskomplex, weil man den Status als Kreisstadt verloren hat."
Doch seit er vor zwei Jahren so harte Kritik an der "mentalen Verfassung" des Kreises Gütersloh geübt hat, arbeitet Rolf Westheider selbst daran mit, ihn stärker zu einen. Und ist darum natürlich bemüht, die Entwicklung herauszustellen: "Wir sind weitergekommen - ich glaube nicht, dass sich heute noch eine Mehrheit für eine andere Zusammensetzung des Kreises finden würde." Zumal Harsewinkel vor 50 Jahren als äußerst wertvolle Stadt hinzugekommen sei.
Menschen orientieren sich unterschiedlich
Das mag alles stimmen. Und doch verraten Episoden wie der Bankenstreit, welche fragiles Gebilde unser Kreis Gütersloh auch im Jahr des 50. Geburtstages immer noch ist. Die Wertheraner, Steinhagener und auch die Haller sind stark gen Bielefeld orientiert, die Borgholzhausener wiederum nach Melle und Osnabrück. Für Menschen, die in Versmold leben, besteht eine natürliche Nähe zum Münsterland. Klingt allerdings so, als fehle der gemeinsame Kern.
Das allerdings täte dem Kreis Gütersloh nun Unrecht. Die Verbindungen wachsen - wie ich zum Beispiel aus meinen Erfahrungen als Handballer berichten kann. Vor kurzem waren hunderte Aktive gemeinsam beim Kreispokal-Finale. Man kennt sich, tauscht sich aus, entwickelt sich gemeinsam weiter. Was in dieser Nische passiert, wird sich auch im gesamten gesellschaftlichen Leben weiter vollziehen.
Erzwingen lässt es sich allerdings nicht - und braucht offenbar noch etwas mehr Zeit als diese 50 Jahre. Zum kleinteiligen Kirchturmdenken oder der Nord-Süd-Grenze im Kopf möchte ich für meinen Teil nicht mehr zurück. Es würde den Kreis Gütersloh in seiner Identität schwächen - von der wirtschaftlichen Komponente ganz zu schweigen.
Neue Generation interessieren alte Grenzen nicht
Und auch Traditionalisten sollten sich nichts vormachen: Es ist längst eine Generation herangewachsen, die mit dem Begriff "Altkreis Halle" nichts mehr anfangen kann. Und darum wird er wohl auch bei uns in der Redaktion nach und nach verschwinden.
Sehen Sie das genau so? Fühlen Sie sich als "Altkreisler", oder als Bürgerin beziehungsweise Bürger des Kreises Gütersloh? Schreiben Sie mir Ihre Meinungen und Gedanken an marc.uthmann@haller-kreisblatt.de.
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