Sorgfalt ist wichtigKritische Berichte: Was müssen sich Bürgermeister alles gefallen lassen?

Zuletzt fühlten sich gleich mehrere Verwaltungschefs durch unsere Berichterstattung kritisiert. Und taten das - jeder auf seine Art - auch kund. Solche Diskussionen können wertvoll sein.

Marc Uthmann

Bürgermeister stehen mit ihrer Verantwortung undaufgrund der zahlreichen Entscheidungen, die sie treffen müssen, im öffentlichen Fokus. Nicht immer sind sie mit der medialen Kritik glücklich. Foto: Pixabay - © Pixabay
Bürgermeister stehen mit ihrer Verantwortung undaufgrund der zahlreichen Entscheidungen, die sie treffen müssen, im öffentlichen Fokus. Nicht immer sind sie mit der medialen Kritik glücklich. Foto: Pixabay © Pixabay

Halle. Ich hatte in der vergangenen Woche eine Menge Bürgermeister-Kontakt. Das ist für einen Lokaljournalisten zunächst einmal nicht ungewöhnlich. Am Donnerstag war mir beim Blick in mein E-Mail-Postfach allerdings auch schnell klar: Hier entwickelt sich gerade kein entspannter Plausch, Dirk Speckmann ist so richtig "auf dem Baum".

Borgholzhausens Bürgermeister hatte sich mächtig über unsere Berichterstattung zum Borgholzhausener Gerhard Genau aufgeregt. Dessen Klage gegen den Bau eines Mehrfamiliengebäudes neben seinem denkmalgeschützten Fachwerkhaus war erfolglos geblieben - und im Anschluss warf er in einem Nebensatz auch Piums Bürgermeister vor, sich nicht ausreichend gegen dieses Projekt einzusetzen, welches das Stadtbild zerstöre.

Speckmann betont hingegen, dass die Borgholzhausener Politik noch massivere Baukörper verhindert habe - letztlich aber nur begrenzten Einfluss auf eine Genehmigung an sich ausüben könne, das sei Sache des Kreises. Dem HK wirft er hier vor, dass es ihn nicht schon vor Erscheinen des Berichtes zu der Aussage von Genau befragt und seine Replik darauf dargestellt habe.

Tappe: "Mediale Berichterstattung geraderücken"

Halles Bürgermeister Thomas Tappe nutzte die jüngste Sitzung des Sozialausschusses, um die "mediale Berichterstattung geradezurücken", wie er es formulierte. Tappe fühlt sich in diesen Tagen gleich in zweierlei Hinsicht ungerecht behandelt: Bei der kritischen Einordnung des von ihm abgebrochenen Tempo-30-Verkehrsversuches habe das HK ihm undemokratisches Verhalten attestiert. Und bei unserer Einordnung der zunächst angedachten Verschiebung des Jugendzentrums sei unter den Tisch gefallen, was die Stadt Halle generell in der Jugendarbeit leiste.

Dritter im Bunde war in dieser Woche Versmolds Verwaltungschef Michael Meyer-Hermann. Ihn erwischte ich mit meiner erneuten Kontaktaufnahme in Sachen "Pflanzbeete" allerdings schon in einem anderen Stadium: humoriger Fatalismus. Zur Erinnerung: Das Haller Kreisblatt hatte kritisch hinterfragt, dass die Stadt nur kurz nach der Fertigstellung des neuen Innenstadtkonzeptes nun schon wieder Pflanzbeete und einen Baum entfernt, damit besser geparkt werden kann. Dass Versmolds Bürgermeister das als "Entscheidung der Vernunft" einordnete, kommentierten wir kritisch.

Meyer-Hermann hat mir gegenüber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er mit dem Kommentar nicht ganz glücklich war - und beantwortete dennoch geduldig auch unsere jüngste Nachfrage. Ohne sich den kleinen Hinweis: "Wenn wir in dieser Stadt keine anderen Probleme haben", verkneifen zu können.

Intensive Gedanken im Nachgang

Wir gehen nach solchen Scharmützeln nicht sofort zur Tagesordnung über. Natürlich haben wir uns im Nachgang noch einmal intensiv Gedanken über die Frage gemacht, ob Dirk Speckmann direkt auf Gerhard Genau hätte antworten müssen, oder ob er als Bürgermeister solch einen Nebensatz aushalten muss. Waren wir sorgfältig genug, was können wir besser machen? Diese Fragen müssen wir uns stellen und tun es auch.

Zugleich ist es eine unserer wichtigsten Aufgaben, Verwaltungshandeln kritisch zu begleiten. Thomas Tappe etwa sollte diese Kritik nicht persönlich nehmen, sondern sie als wertvollen Beitrag zu einer funktionierenden Demokratie akzeptieren. Auch wenn die Zähne manchmal knirschen. Der große Vorteil im Verhältnis der Lokalzeitung zu ihren Verwaltungen ist die Nähe: Man kann im Austausch bleiben, Dinge im Gespräch klären, einen Zwist wieder geraderücken. Diese Nähe ist aber zugleich auch Verpflichtung: Sie darf nicht zur Kritiklosigkeit führen, denn unserer Leserinnen und Leser erwarten von uns, dass wir Entscheidungsträger und ihr Handeln hinterfragen.

Wie schwer das auf anderer Ebene mittlerweile geworden ist, beweist der Umgang mit manchem Konzern: Bis ins Detail abgestimmte Pressemitteilungen, kaum Raum für Rückfragen oder zur Unkenntlichkeit verstümmelte Zitate, die so nie gesagt wurden: Die Professionalisierung der PR-Abteilungen hat hat viele Nichtaussagen in die Welt gespült.

Baldrian hilft auch Bürgermeistern

Das kann uns mit unseren Bürgermeistern nicht passieren. Dirk Speckmann konnte im HK seine Sicht der Dinge darlegen, hatte nach eigener, augenzwinkernder Aussage am nächsten Morgen "ausreichend Baldrian" genommen und berichtete mir schon wieder eifrig von neuen Projekten in seiner Stadt. Thomas Tappe versicherte mir im Parkplatz-Gespräch nach der Sitzung, dass er mit uns weiterhin gut klarkommt und bestellte Grüße an die gesamte Redaktion.

Und Michael Meyer-Hermann? Der bleibt sowieso entspannt - nur auf Fragen zu Pflanzbeeten hat er wohl keine Lust mehr.

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