Die Alleestraße und der große Zoff mit dem Haller Bürgermeister

In einer Stellungnahme kritisieren SPD, Grüne und UWG scharf die Äußerungen von Thomas Tappe. Sie werfen ihm fehlende Sachlichkeit und Souveränität vor. Tappe kontert.

Was tun mit der Alleestraße? Darüber herrscht weiterhin große Uneinigkeit unter den politischen Parteien. Jetzt haben Grüne, UWG und SPD mit scharfer Kritik auf Äußerungen des Bürgermeisters reagiert, der ihnen mangelnde Verlässlichkeit vorgeworfen hatte. | © Marc Uthmann

09.02.2021 | 09.02.2021, 10:06

Halle. Die Fraktionen von SPD, UWG und Bündnis 90/Die Grünen haben in einer gemeinsamen Stellungnahme auf Äußerungen von Bürgermeister Thomas Tappe reagiert. Der hatte ihnen im Zuge der laufenden Haushaltsberatungen vorgeworfen, sich nicht an die im Rahmen einer Sitzung mit den Fraktionsvorsitzenden getroffenen Absprachen gehalten und ihm dadurch, so Tappe wörtlich, „in die Hacken getreten" zu haben. Streitpunkt war die Diskussion um die Verschiebung von Haushaltsmitteln für den Ausbau von Alleestraße und unterer Bahnhofstraße. SPD, UWG und Grüne hatten in einem gemeinsamen Antrag gefordert, die Verschiebung der Haushaltsmittel zurückzunehmen und die Planungen Alleestraße nicht aufzuschieben.

„Das wäre Politik in Hinterzimmern"

Auf die Vorwürfe Tappes entgegneten die drei Fraktionen: „In der Besprechung wurde vom Bürgermeister signalisiert, dass nicht alle geplanten Tiefbaumaßnahmen in der Stadt Halle in dem vorgesehenen Zeitrahmen erfolgen können. Von einer weitergehenden Planung für die Alleestraße war in dem Gespräch keine Rede. Außerdem ist diese Gesprächsrunde kein politisches Gremium, welches irgendwelche Beschlüsse oder Planungen entscheiden kann. Das wäre Politik in Hinterzimmern, die wir alle ausdrücklich ablehnen."

Der Grünen-Fraktionschef Jochen Stoppenbrink. - © Grüne
Der Grünen-Fraktionschef Jochen Stoppenbrink. (© Grüne)

Tappe hatte unter anderem argumentiert, dass die Planung des Alleestraßenumbaus verschoben werden müsse, weil die planführenden Abteilungen sonst nicht in der Lage seien, bis zum festgesetzten Zeitpunkt die ISEK-Maßnahmen zu erarbeiten. Somit seien Fördergelder in Höhe von mehr als vier Millionen Euro in Gefahr. In der Stellungnahme argumentierten die Fraktionen indes: „Der von uns eingebrachte Antrag basiert auf langjähriger Planung, eindeutigen Beschlüssen sowie nicht zuletzt auf konkreten verbindlichen Zielen des ISEK-Konzeptes. Im ISEK ist die weitere Planung der Alleestraße, wie nun von uns gemeinsam beantragt, als Priorität eins mit entsprechenden Zeithorizonten und Fördermitteln hinterlegt. Wir haben also genau das getan, was der Bürgermeister von uns einfordert: Maßnahmen des ISEK Priorität einzuräumen."

Es zeuge nicht gerade von Sachlichkeit und Souveränität, wenn der Bürgermeister bislang übliche Vorgehensweisen in Frage stelle. Es obliege allein den politischen Gremien, Anträge einzubringen, über deren Inhalt abzustimmen und über den Haushalt zu beschließen. „Wir lehnen jede Form von Hinterzimmerpolitik ab", heißt es weiter.

Thomas Tappe stellt sich den Vorwürfen. - © CDU
Thomas Tappe stellt sich den Vorwürfen. (© CDU)

Auch habe es kein „Treten in die Hacken" gegeben. „Die Betroffenheit des Bürgermeisters ist vermutlich eher das Ergebnis von Unzufriedenheit über Anträge, die nicht der eigenen Vorstellung entsprechen", schließt die Stellungnahme.

Thomas Tappe bleibt indes bei seiner Darstellung: „Im Vorfeld habe ich mit den Fraktionsvorsitzenden grundsätzlich besprochen, dass Tiefbauarbeiten für ein Jahr verschoben werden. Ich weiß nicht, warum ich da die Alleestraße herausnehmen sollte."

„Muss mich vor meine Leute stellen"

Er widerspricht, dass es sich hierbei um eine „Hinterzimmerpolitik" handele. Dass man sich im Vorfeld mit den Fraktionen bespricht, sei vielmehr in vielen Kommunen üblich. Der Bürgermeister erklärt noch einmal, dass die Bauverwaltung aufgrund vielfacher Belastung, beispielsweise durch Großprojekte wie die Kläranlage, zusätzliche Aufgaben kaum bewältigen könne: „Ich muss mich hier vor meine Leute stellen. Und es ist meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, wenn ich den Eindruck habe, etwas sei derzeit nicht leistbar." Tappe verweist in diesem Zusammenhang auf die hohe Investitionsquote in Halle, die ein Indiz sei für die erhebliche Belastung der Verwaltung.

Thomas Tappe widerspricht zudem der Aussage der drei Fraktionen, die Alleestraße sei im ISEK mit Fördermitteln hinterlegt. „Wahr ist, es gibt keinen Förderantrag für die Alleestraße", so Tappe.

Er stelle nicht in Frage, dass er einen politischen Mehrheitsbeschluss umsetzen müsse. „Ich muss aber sagen dürfen, dass ich mich wundere, wenn andere sich nicht an grundsätzliche Absprachen halten. Und ich weiß nicht, ob wir uns einen Gefallen mit einer derartigen Zusammenarbeit tun", sagt er.

Kommentar

Ein Klima des Misstrauens

Das Thema Alleestraße ist verfahren. Verfahren, weil hier völlig unterschiedliche Auffassungen darüber aufeinandertreffen, wie mit dieser Hauptverkehrsader umzugehen ist. Leitbild entwickeln, Generalverkehrsplan aufstellen und anschließend aus den sich ergebenen Vorstellungen einen Maßnahmenplan für diese Hauptverkehrsader entwickeln. So wollen es CDU, FDP, der Bürgermeister und auch die Bürgerinitiative Alleestraße. Ein Leitbild entwerfen, einen grundsätzlichen Verkehrsentwicklungsplan aufstellen, da stimmen auch UWG, SPD und Grüne zu. Mit einem kleinen Unterschied: Sie erachten die Planungen für die Alleestraße als nicht aufschiebbar. Es soll schnell weitergehen, weil alle drei ein Gefährdungspotenzial sehen, dessen Entschärfung sofort angegangen werden muss. Nun könnte man sich darauf verständigen, den Prozess, wie von der CDU vorgeschlagen, nicht um zwei, sondern nur um ein Jahr zu verschieben, um der Verwaltung, dadurch Luft zu verschaffen. Dazu bedürfte es an Vertrauen. Es herrscht aber ein Klima des Misstrauens in der Haller Lokalpolitik und besonders beim Thema Alleestraße. So lange CDU und FDP überzeugt sind, die andere politsche Seite wolle auf Biegen und Brechen eine von Ideologie bestimmte Verkehrspolitik durchsetzen, ist eine Verständigung nicht möglich. Ausdruck des Misstrauens ist es auch, wenn die so Angesprochenen dagegenhalten, ewig Gestrige hätten nur das Wohl der Autofahrer im Sinn und bedienten zudem ein Klientel von Interessensgruppen, deren einziges Ziel es ist, den Ausbau auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Gemeinsamkeit ist, wie von Michael Koch (UWG) gefordert, bei einem so wichtigen Thema dringend notwendig. Es scheint jedoch nicht so, als sei die Haller Politik derzeit dazu fähig.

Heiko Kaiser