Tappes erste Machtprobe: Wie geht's weiter an der Alleestraße?

Die Christdemokraten wollen die Umgestaltung der Alleestraße verschieben und fordern einen Generalverkehrsplan. Der Bürgermeister geht da mit und hat Haushaltsmittel für den Umbau in die Zukunft verschoben. Doch damit kommt er nicht durch.

Alleestraße | © Heiko Kaiser

03.02.2021 | 03.02.2021, 14:33

Halle. Und plötzlich waren sie aus dem Etat verschwunden. Es geht um die Positionen 0209 und 0644, in denen die geplanten Investitionssummen für die Umgestaltung von Alleestraße und unterer Bahnhofstraße im Haushalt eingestellt worden sind. Entgegen den bisherigen Planungen wurden hier eine Million Euro für die Alleestraße von 2022 in das Jahr 2024 transferiert sowie für die untere Bahnhofstraße 450.000 Euro und 320.000 Euro um jeweils ein Jahr nach 2023 und 2024 verschoben. Bedeutet: Vor 2024 sollen in der Alleestraße keine Umgestaltungsmaßnahmen durchgeführt werden.

So jedenfalls lautete die Haushaltsvorgabe durch die Stadtverwaltung und ihren Chef Thomas Tappe, die den Fraktionen gestern im Bau- und Verkehrsausschuss präsentiert wurde. Hintergrund ist die Forderung der CDU-Fraktion, einen Generalverkehrsplan zur effizienten Verkehrssteuerung der Stadt Halle zu erstellen. Genau das beantragten die Christdemokraten in ihrem Schreiben vom 19. Januar an den Bürgermeister Thomas Tappe. Damit greifen sie auch die Anregung der Bürgerinitiative Alleestraße auf, in der diese mit dem Schreiben vom 27. Januar an die Stadtverwaltung ebenfalls fordert, einen Verkehrsentwicklungsplan/Generalverkehrsplan in Auftrag zu geben. Die zwangsläufige Folge: Wenn erst ein Plan erstellt werden soll, müssen Maßnahmen zwangsläufig verschoben werden.

Das fordert die CDU

„Wir müssen das Große und Ganze betrachten. Das heißt, es gilt zu schauen, wohin sich die Verkehrsflüsse entwickeln, um beispielsweise nicht ungewollte Schleichwege durch Wohngebiete zu erzeugen", sagt die Fraktionsvorsitzende Sandra Wißmann. Man wolle so verhindern, dass durch Einzelmaßnahmen, die nicht den Gesamtkontext berücksichtigen, ein Flickenteppich entstehe. Viele Daten und Informationen sollen in den Generalverkehrsplan einfließen. Zunächst soll der Status quo erhoben und ermittelt werden, wo Verkehrsteilnehmer, wann, welche Wege nehmen. Anschließend, so heißt es im Antrag, soll unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie unterschiedlichen Interessensgruppen, Behörden, Planern und der Kommunalpolitik ein Verkehrszukunftsplan entwickelt werden, der die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigt.

„Wir wollen, dass die Menschen in die Stadt kommen. Doch wenn sie keine Möglichkeiten haben, die Geschäfte zu erreichen, dann werden sie andere Wege gehen und woanders einkaufen", sagt Sandra Wißmann. Dabei legt sie unter anderem auch Wert darauf, dass die Bedürfnisse älterer Menschen Berücksichtigung finden, die ihren Einkauf beispielsweise nicht mit dem Rad erledigen können.

Das sagen die anderen Fraktionen

Mit einem gemeinsamen Antrag haben SPD, UWG und Grüne auf das Vorhaben eines Generalverkehrsplans sowie die Verschiebung der Planungen für Alleestraße und untere Bahnhofstraße im Haushalt der Stadt reagiert. Darin fordern sie, schnellstmöglich die Umgestaltung von Alleestraße und unterer Bahnhofstraße anzugehen und die Verschiebung von Haushaltsmittel in die Zukunft zurückzunehmen. In einer Online-Konferenz erläuterten die Fraktionen ihren gemeinsamen Standpunkt.

Edda Sommer (SPD) stellte klar, dass man sowohl ein Nahmobilitätskonzept als auch einen Verkehrsentwicklungsplan habe. Manfred Stockhecke betonte, gegen einen Generalverkehrsplan spräche, dass er wieder viel Zeit koste, obwohl grundlegende Dinge bereits klar seien. Und: „Die jetzige Regelung an der Alleestraße hat nicht die Politik beschlossen, sondern das Straßenverkehrsamt." Es habe unter anderem aus Sicherheitsgründen angeordnet, dass Fahrräder auf die Straße müssten.

Tim Brand (SPD) ergänzte: „Selbst wenn wir noch fünfmal die Autos zählen oder weitere statistische Untersuchungen machen lassen, wie sich die Verkehre verändern werden: Wir kommen um das Ergebnis nicht herum, dass auf dieser Straße zur Gleichberechtigung und Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer etwas getan werden muss."

Dieter Jung (Grüne) erinnerte an das bereits beschlossene Nahmobilitätskonzept mit 166 Maßnahmen, das zur Verbesserung der Situation für Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV führe. „Eine groß angelegte Verkehrsuntersuchung, wenn wir sie beschließen, darf nicht zur Aufschiebung von notwendigen Sicherungsmaßnahmen führen", sagte er.

Einig waren sich die Fraktionen auch darin, dass es zunächst gelte, den Leitbildprozess anzustoßen und die Frage zu beantworten, wohin man sich als Stadtgesellschaft entwickeln wolle. Der Grünen- Fraktionssprecher Jochen Stoppenbrink führte dazu aus: „Der erste Schritt kann deshalb nicht die Erstellung eines Generalverkehrsplans sein, ohne zu wissen, wo wir überhaupt hinwollen. Es kann nicht sein, dass wie früher eine autogerechte Gesellschaft gefordert, eine entsprechende Infrastruktur entwickelt wird, der sich schließlich alles unterordnen muss. Da haben wir inzwischen einen deutlichen Paradigmenwechsel."

Im gestrigen Ausschuss nahm Bürgermeister Thomas Tappe die Herausforderung an, hielt eine sehr emotionale Rede, in der er auf mögliche Millionenverluste an Fördergeldern hinwies und betonte, dass die Verantwortung dafür bei den Ausschussmitgliedern läge. Peer Kranz (CDU) schlug schließlich einen Kompromiss vor, in dem der Haushaltsposten für die Alleestraße um ein Jahr auf 2023 vorgezogen werden sollte. Nach kurzer Beratung der drei Fraktionen lehnten sie das Angebot jedoch ab. Mit 8:5 Stimmen wurde der Antrag von SPD, UWG und Grünen beschlossen.