Halle. Es ist in gewisser Weise Neuland, dass die Haller Stadtverwaltung und der Haupt- und Finanzausschuss am Mittwochabend betreten. Darum haben sie eine Beraterin eingeladen: Rechtsanwältin Dr. Ute Jasper aus Düsseldorf kennt sich aus mit großen Infrastrukturprojekten der öffentlichen Hand. Sie skizziert im Sitzungssaal klar und humorig, wie der Weg zum Wohngebiet Masch aus einem Guss funktionieren könnte. Die Risiken verschweigt sie nicht.
150 bis 200 Wohneinheiten könnten auf fünf Hektar im Haller Zentrum entstehen – dort, wo es jetzt noch zwei Sportplätze gibt. Die Stadt verknüpft mit diesem Gebiet viele Hoffnungen: Verdichtet soll es sein, mit einheitlicher Bau- und Freiraumgestaltung, Platz für sozialen Wohnraum bieten und langfristig attraktiv bleiben. Zu viele Ziele, als dass sie sich aus Sicht der Verwaltung mit einem normalen Bebauungsplan verwirklichen ließen.
Vorgaben über den Bebauungsplan hinaus
„Mit einem Investorenmodell können Sie einheitlicher gestalten und auch Vorgaben über den Bebauungsplan hinaus machen. Sonst hätten Sie viele Einzelverhandlungen. Und Sie können die Erschließungsleistungen vom Investor erbringen lassen", erklärt Ute Jasper. „Aber Sie sind an die Vereinbarung mit ihm gebunden." Die Stadt müsste in ein Vergabeverfahren einsteigen und das Stadtviertel europaweit ausschreiben.
„Der Ortsansässige hat in so einem Verfahren keinen Vorteil", sagte Ute Jasper augenzwinkernd: „Aber von so etwas habe ich ohnehin nur in anderen Kommunen gehört." Stadt und Politik würden zunächst die Bewerber auswählen, deren Angebote dann auf Wirtschaftlichkeit prüfen und in der Folge nachverhandeln. „Das darf man nicht sich selbst überlassen", mahnt Jasper. Viele Vorstellungen ließen sich in dieser Phase des Verfahrens umsetzen, ehe die Entscheidung für einen Bieter getroffen werde.
Die Beraterin kalkuliert für das Verfahren mit einem Vorlauf von ein bis zwei Monaten, weiteren zwei Monaten für den Teilnahmewettbewerb sowie einem Vierteljahr für die Prüfung und Bewertung. „Wenn Sie zu wenige Bieter haben, waren die Anforderungen zu hoch. Für den Fall, dass potenzielle Investoren nicht seriös genug erscheinen, muss es Ausschluss- und Ausstiegsmöglichkeiten geben" – die Expertin spricht die Risiken klar an. Kündigungs- und Rückabwicklungsrechte seien hier ein Thema, vor allem weil man beim Investorenmodell auf einen Partner festgelegt sei, bei dem es auch zur Pleite kommen könnte.
Kirsten Witte: „Können wir aussteigen?"
Wolfgang Bölling (SPD) will mehr über den Unterschied zwischen einem Projektentwickler und einem Bauträger wissen: „Hätten bei einem Entwickler heimische Unternehmen nicht zumindest die Chance, sich einzubringen?" Ute Jasper stellt klar, dass man nicht bestimmen könne, wer sich bewerbe. „Aber sie können über die Vorgaben steuern."
Thomas Tappe (CDU) gibt zu bedenken, „dass wir das Heft des Handelns schon ein Stück weit aus der Hand geben". Die grüne Bürgermeister-Kandidatin Kirsten Witte, die für ihren Mann Jochen Stoppenbrink am Sitzungstisch sitzt, will wissen: „Können wir aussteigen?" Es gebe keine Pflicht zum Zuschlag, entgegnet Ute Jasper. „Aber natürlich brauchen Sie dafür einen sachlichen Grund. Und müssen dem verhinderten Investor unter Umständen die Aufwendungen erstatten, die ihm bis dato entstanden sind."
"Sie schließen die Augen und stellen sich vor, wie es werden soll"
Abschließend geht es in der Diskussion um das weitere Prozedere eines Investorenmodells. „Dieser Ausschuss und der Rat entscheiden. Sie schließen die Augen und stellen sich vor, wie es werden soll. Wir erarbeiten die Prioritäten", erklärt der zuständige städtische Abteilungsleiter Michael Flohr.
Bei einer Enthaltung von Karl-Heinz Wöstmann aus der UWG, die erst im Rat ein Votum abgibt, votiert der Haupt- und Finanzausschuss schließlich einstimmig dafür, das Grundstück in einem europaweiten Verfahren auszuschreiben.
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