HalleIm Einsatz gegen die Einsamkeit an Heiligabend

»Weihnachten nicht allein«, unter diesem Motto stand der Heiligabend bei der Kirchengemeinde in Halle. Fast 150 Personen machten mit und setzten sich ein.

Anke Schneider

Das Besuchsprojekt der Kirchengemeinde erfuhr eine überwältigende Resonanz. Bernd Eimterbäumer war sprachlos angesichts der fast 150 Menschen, die sich in diesem Jahr daran beteiligten. - © Anke Schneider
Das Besuchsprojekt der Kirchengemeinde erfuhr eine überwältigende Resonanz. Bernd Eimterbäumer war sprachlos angesichts der fast 150 Menschen, die sich in diesem Jahr daran beteiligten. © Anke Schneider

Halle. „Einsamkeit ist das Problem unserer Gesellschaft", sagt Peter Hartel. Er organisierte mit seiner Familie und zehn weiteren Helfern den diesjährigen Heiligabend im Martin-Luther-Haus. Eingeladen waren alle, die an diesem Abend alleine waren und gerne in Gesellschaft Weihnachten feiern wollten.

Sie wie Inge. Sie ist 93 Jahre alt und hat alle ihre Verwandten überlebt. Die alte Dame ist zum dritten Mal dabei. Sie hatte gehofft, die Senioren zu treffen, die im vergangenen Jahr auch dort waren. „Sie sind leider nicht da", so die Seniorin. Dafür aber viele andere Menschen, denen es ähnlich ging wie ihr.

Eine der Besucherinnen ist Renate, die zum ersten Mal dabei ist. Sie lebt in einer Wohnanlage für betreutes Wohnen, findet aber keinen Anschluss zu ihren Mitbewohnern. „Ich habe mit niemandem dort Kontakt und bin sehr einsam", erzählt sie.

Gedeckt hatten die Organisatoren für 70 Personen, einige Plätze bleiben leer. Jeder bekam eine Holzwäscheklammer mit seinem Namen. Zunächst wurde gesungen und dann gemeinsam gegessen. Und darauf freuen sich viele am meisten. „Echt lecker", so der Kommentar am Tisch von Inge und Renate. Ist ja auch kein Wunder, denn das Buffet wurde von zwei Experten gekocht. Jörg Münkemöller, Koch im Haller Krankenhaus, und Burkhard Maistrack, Inhaber eines Cateringservices, steuern ihre Arbeitskraft als Spende bei.

Die Konditorei Bossert aus Werther bringt den Nachtisch. „Es gibt ganz viele Menschen, die sagen, dass sie so viel bekommen hätten in diesem Leben, dass sie gerne etwas zurückgeben möchten", erklärt Peter Hartel das Engagement der Köche, Bäcker und vieler helfender Gemeindemitglieder. Die Feier wird besinnlich und harmonisch. Es gibt Lieder, begleitet von Dirk Bischof auf der Gitarre. Es gibt Gedichte und Geschichten und am Ende auch kleine Geschenke für alle. Es gibt viele Gänsehautmomente an diesem Abend.

Das Essen war eine großzügige Spende der beiden Köche Jörg Münkemöller und Burkhard Maistrack. - © Anke Schneider
Das Essen war eine großzügige Spende der beiden Köche Jörg Münkemöller und Burkhard Maistrack. (© Anke Schneider)

Den ersten dieser besonderen Augenblicke hatte Pastor Bernd Eimterbäumer bereits am Morgen dieses besonderen Tages. Fast 150 Menschen jeden Alters waren im Jugendheim zusammengekommen. Dort war der Treffpunkt für die Besuchsaktion, die die Kirchengemeinde seit mehr als zehn Jahren startet.

„Wir sind mal mit 30 Leuten angefangen", so der Pastor. Die Aktion wächst und wächst – und ist ein Gewinn für beide Seiten. „Man feiert Weihnachten anders, wenn man morgens am Krankenbett gestanden hat", sagt er.

Im Jugendheim erzählte Bernd Eimterbäumer zunächst die Geschichte eines alten Mannes, der in dem Geschenkpaket seiner Tochter herumstochert und dort teure Zigarren und Cognac findet, an denen der Preis noch klebt. Dazu eine Karte mit der Unterschrift seiner Tochter und seines Schwiegersohnes.

Kein persönlicher Gruß – nichts weiter. Gefragt nach dem Grund seines enttäuschten Gesichtsausdrucks antwortet der Mann: „Es ist keine Liebe drin."

„Wir haben keine Präsente dabei – wir verschenken Liebe, denn darauf kommt es an", sagt Bernd Eimterbäumer. Sodann wurden die Mitmachenden in Gruppen aufgeteilt. Die größte Schar folgte Ingeborg Vogt ins Krankenhaus, die zweite mit Andrea Bentlage ins Seniorenheim Haus Eggeblick. Michael Künsebeck nahm zwölf Leute mit zu Flüchtlingsfamilien, Anna Ludwig fuhr mit einer großen Gruppe zur Behinderten-Wohnstätte Stodieks Hof. Justizvollzugsbeamter Michael Koch fuhr mit jeweils einem Dutzend Menschen zur JVA Verl und zur JVA Steinhagen.

Überall wurde geklönt, musiziert, gesungen und gespielt. „Das Schwierigste ist der Einsatz in den Gefängnissen", so Eimterbäumer. Hier seien die Insassen in der Regel zunächst reserviert, innerhalb von 15 Minuten passiere aber etwas Wunderbares. „Man kommt miteinander ins Gespräch und es wird ein toller Vormittag", so seine Erfahrung.

Kommentare

Um Ihren Kommentar abzusenden, melden Sie sich bitte an.
Sollten Sie noch keinen Zugang besitzen, können Sie sich hier registrieren.

Mit dem Absenden des Kommentars erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion an.