Halle. Während einige Haller über den Wochenmarkt schlendern, um noch eben die letzten frischen Zutaten für das Festtagsessen einzukaufen, läuft Pfarrer Nicolai Hamilton etwas unruhig zwischen Gemüsestand und Fischbude hin und her. Vereinzelt stehen Menschen auf dem Platz und halten einen Liederzettel in der Hand, während Kantor Friedemann Engelbert mit dem anderen Ende eines im Friseursalon Wagener eingestöpselten Stromkabels Richtung Platzmitte geht. Dort, zwischen Haller-Willem-Denkmal und den Werbefahnen der Stadt, verpasst er seinem E-Piano den nötigen Saft und beginnt ganz plötzlich leise zu musizieren.
Kurz darauf erklingt eine einzelne Stimme. Sängerin Linda Laible steht unweit des Eiscafés Ceotto und beginnt zu singen. Nach und nach stimmen Menschen auf dem Platz mit ein und was für die Passanten völlig überraschend kommt, ist ein einstudierter, aber spontan wirkender Menschenauflauf mit Gesangseinlage oder kurz und Neudeutsch ein Flashmob.
"Wollen eine nette Überraschung bringen"

„Ich habe letztes Jahr ein Video von einem Flashmob geschickt bekommen und fand die Idee ganz toll", sagt Inka Pohl, Hauptorganisatorin des Auftritts und selbst mit Engelskostüm verkleidet als stimmgewaltige Unterstützerin vor Ort. Schnell hatte sie Sängerin Linda Laible sowie Kantor Friedemann Engelbert von ihrer Idee überzeugt und gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der evangelischen Kirchengemeinde wurde die Idee eines Weihnachtsflashmobs in die Tat umgesetzt.

„Wir wollen den Hallern eine nette Überraschung in der stressigen Adventszeit bringen", erklärt Pohl. Der rund fünfminütige Auftritt, der ganz leise und kommentarlos endete, gebe zudem Gelegenheit zum Innehalten und darüber nachzudenken, was der eigentliche Grund von Weihnachten sei.
Generalprobe 30 Minuten vor der Überraschung
Am Freitagmittag um 12.10 Uhr nehmen etwa 65 Sänger auf dem Ronchin-Platz an dem Flashmob teil. Jüngste Sängerin ist Pohls Tochter Hannah mit sechs Jahren, die ältesten Sänger sind Mitte 70. Gemeinsam singen sie das Lied »Freue dich, Welt«, mitunter besser bekannt in der englischen Version »Joy to the World«.
„Es gab eine halbe Stunde vor dem Auftritt eine Generalprobe in der Kirche", erzählt Pohl. Ein Flashmob lebe halt davon, dass er Leute überrascht. Daher sei es im Vorfeld nicht ganz einfach gewesen, das richtige Maß an Werbung zu finden, um Sänger für die Sache zu begeistern. „Die Nachricht sollte sich ja nicht vorab schon in der ganzen Stadt verbreiten", sagt Pohl.
Weil sich die Mühen lohnen und möglichst viele Bürger in Halle erreicht werden sollen, gibt es tags darauf eine weitere Auflage des Flashmobs um 11 Uhr im Marktkauf Speicher. Inhaber Oliver Speicher ist eingeweiht: Drei Mitarbeiter filmen den Flashmob. Zusätzlich hat Speicher ein professionelles Filmteam herbestellt. Wenn der Clip gut wird, nutzt er ihn zu Werbezwecken.
Nahezu unbemerkt verteilen sich währenddessen 75 Sänger im Laden – die meisten hinter den Kassen vor der Bäckertheke. Inka Pohl hat sich erneut als Engel verkleidet und geht durch die Gänge. Mezzosopranistin Linda Laible beginnt, die 75 Eingeweihten stimmen kurz nach ihr ein. Verwunderte Kunden blicken um sich. Nach nur einem Lied ist schon wieder Schluss. Einige applaudieren. Die Sänger gehen auseinander, als wäre nichts geschehen – auch das Lächeln der Überraschten schwindet.
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