HalleHalles Bürgermeisterin im HK-Interview: "Wir haben kein Transparenzproblem"

Heiko Kaiser

„Wir haben kein Transparenzproblem“: Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann beharrt darauf, dass Politik und Bürger über die Strategie der Haller Verwaltung ausreichend informiert werden. - © Foto: Nicole Donath
„Wir haben kein Transparenzproblem“: Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann beharrt darauf, dass Politik und Bürger über die Strategie der Haller Verwaltung ausreichend informiert werden. © Foto: Nicole Donath

Halle. Es häufen sich die Proteste von Bürgern, die mit Entscheidungen der Stadt Halle nicht einverstanden sind. Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann nimmt Stellung zum Vorwurf, eine Politik über die Köpfe der Menschen hinweg zu betreiben.

Bürgerinitiativen, Anliegerproteste, Unmutsäußerungen. Frau Rodenbrock-Wesselmann, haben Sie das Gefühl, dass die Bürger in der Stadt Halle noch verstehen, was im Rathaus entschieden wird?

ANNE RODENBROCK-WESSELMANN: Ich bin mir sicher, dass viele Bürgerinnen und Bürger wissen, was eine Stadtverwaltung zu tun hat. Dazu gehört auch, dass politische Entscheidungen für den Stadtrat vorbereitet und nicht selbst getroffen werden. Das zuletzt viele Themen sehr emotional diskutiert wurden, ist möglicherweise auf die öffentliche Darstellung zurückzuführen. Es entsteht nicht selten der Eindruck, alles sei bereits alles entschieden. Dem ist nicht so. Solange Diskussionen nicht persönlich verletzend geführt werden, begrüße ich eine sachliche Beteiligung der Öffentlichkeit.

An was denken Sie da?

RODENBROCK-WESSELMANN: Beispiel Wohnbebauung Masch. Eine sinnvolle, von allen Seiten gelobte strategische Entwicklung. Natürlich gibt es auch Interessengruppen, die mit einer solchen Entwicklung nicht nur einverstanden sind. Zuletzt wurde hier oftmals auch eine sachlich nicht zutreffende Darstellung genutzt, um Stimmung gegen verschiedene Projekte zu erzeugen. Eben auch, dass Entscheidungen schon im Vorfeld getroffen wurden, wie bei der Alleestraße.

„Nur ein Ausgangspunkt“: Die Bürgermeisterin sieht den Prozess der Neugestaltung der Alleestraße erst am Anfang. Foto: Ulrich Fälker - © Ulrich Fälker
„Nur ein Ausgangspunkt“: Die Bürgermeisterin sieht den Prozess der Neugestaltung der Alleestraße erst am Anfang. Foto: Ulrich Fälker (© Ulrich Fälker)


Aber genau dieser Eindruck ist doch bei der Planvorstellung entstanden, weil es vom Planer so dargestellt wurde, als müsse aus rechtlichen Gründen etwas getan werden. Und Sie als Bürgermeisterin haben erklärt, eine solche Situation nicht verantworten zu können.

RODENBROCK-WESSELMANN: Das war vielleicht ein Kommunikationsproblem. Für die Neugestaltung gelten tatsächliche andere rechtliche Vorgaben. Die jetzige Situation wird auch seitens der beteiligten Behörden sehr kritisch eingestuft. Und ich habe immer gesagt, das sei eine „XXL-Planung", die natürlich als Ausgangspunkt für die politische Diskussion zu verstehen sei und noch nicht das Endprodukt darstelle. Die Materie ist dafür zu vielschichtig. Mir war und ist das klar.

Den Menschen aber offensichtlich nicht.

RODENBROCK-WESSELMANN: Das stimmt. Das ist etwas, an dem wir als Verwaltung arbeiten müssen. Ich würde mir wünschen, dass auch die Medien weiter dazu beitragen, indem die Berichterstattung sachlich und gut recherchiert durchgeführt wird.

Die Alleestraße ist ja nicht das einzige Beispiel. Thema Beleuchtungsstreit. Auch hier beteuert die Verwaltung, es gebe rechtlich bindende Gründe. Aber der Bürger versteht nicht, dass es rechtens ist, rückwirkend eine Satzung zu ändern, um höhere Beiträge zu erzielen.

RODENBROCK-WESSELMANN: Das ist eine so komplizierte Materie. Wenn das Gericht uns ins Buch schreibt, ihr könnt nicht abrechnen, ihr müsst das rückwirkend so machen, dann gibt es keinen anderen Weg. Wir müssen uns nach Recht und Gesetz verhalten. Das ist der höchste Anspruch. Übrigens sehe ich auch nicht, dass Rat und Verwaltung hier in einem Streit sind.

Sind sie aber doch.

RODENBROCK-WESSELMANN: Nein, da muss ich widersprechen. Hier in der Verwaltung haben die Mitarbeiter einen Eid geschworen, zum Wohl der Stadt zu handeln. Sie werden dafür bezahlt, dass sie alles korrekt erledigen. Und das tun sie auch. Deshalb stelle ich mich hier vor meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn Ratsmitglieder erklären, in dieser Frage nicht den Finger heben zu wollen, dann finde ich das legitim. Dann muss eben eine höhere Ebene entscheiden. Ich sehe das recht leidenschaftslos.

Storck Gebiet Ãstlich Paulinenweg Luftbild Foto: Ulrich Fälker - © Ulrich Fälker
Storck Gebiet Ãstlich Paulinenweg Luftbild Foto: Ulrich Fälker (© Ulrich Fälker)


Aber ist das nicht ein Indiz für die Unzufriedenheit der Politik mit der Verwaltung? Denn auch wenn die Kommunalaufsicht jetzt entschieden hat. Wenn man mit Ratsmitgliedern spricht, dann sagen einige, die Planungen in der Verwaltung seien nicht transparent genug. Dinge würden viel zu spät erklärt, Informationen flössen nicht zeitnah. Beispiele sind die erst auf Antrag der UWG öffentliche Beratung über die Verlegung der Sportplätze oder auch das Thema Storck-Erweiterung.

RODENBROCK-WESSELMANN: Der Ablauf bei allen Themen ist der: Die Politik gibt uns einen Arbeitsauftrag. Dann wird das Thema sorgfältig bis in alle Feinheiten aufgearbeitet und schließlich wieder in die Politik gegeben. Anschließend wird entschieden. Wenn Dritte vertraulich mit Anliegen auf uns zukommen, findet zunächst eine interne Prüfung und Aufarbeitung der Sachlage statt, um dann mit konkreten Grundlagen in die politischen Verfahrensabläufe zu gehen. Das ist ein ganz normaler Vorgang.

Der Vorwurf fehlender Transparenz aber steht im Raum.

RODENBROCK-WESSELMANN: Wir haben kein Transparenzproblem. Die Politik wird sehr gut informiert. Und auch die Bürgerinnen und Bürger. Anliegerversammlungen beispielsweise, die wir nicht durchführen müssten, sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Deren Ergebnisse werden in der Regel berücksichtigt. Manchmal auch dann – wie bei der Bergstraße – wenn die Politik eine andere Lösung vorzieht.

Dennoch: Selbst bei Prozessen, die bewusst eine Bürgerbeteiligung erfordern, wie ISEK und IKEK, wo es Dorfspaziergänge und eine großes Bürgerversammlung gegeben hat, wird Ihnen vorgeworfen, es damit nicht wirklich ernst zu meinen. Denn während der Prozess des Stadtentwicklungskonzepts noch läuft, werden bereits Stück für Stück wichtige Projekte realisiert, ohne dass sie in ISEK/IKEK einbezogen werden.

RODENBROCK-WESSELMANN: Der Prozess des ISEK/IKEK ist ein sehr langwieriger Prozess. Es gibt natürlich immer wieder Entscheidungen, die man nicht aufschieben kann, weil von diesen sehr viel abhängt. Den Vorwurf, dass wir diesen Prozess nicht ernst nehmen, bedauere ich. Ich kann dieses auch nicht wirklich nachvollziehen.

Und was ist mit der Bürgerbeteiligung?

RODENBROCK-WESSELMANN: Der wird selbstverständlich Rechnung getragen. Das Büro Schulten (Herr Kasper) wird die Zusammenfassung im öffentlichen Teil des Haupt- und Finanzausschusses am 13. Dezember vorstellen. Wir tagen dafür extra in der Mensa des Schulzentrums, damit alle Interessierten die Möglichkeit haben, es sich anzuhören. Dort wird unter anderem präsentiert, was realisiert werden könnte, wo es Fördertöpfe gibt, welche Wünsche bei den Dorfspaziergängen geäußert wurden. Von Schulbuslinien über Dorfgestaltung bis zu Tempo-30-Zonen und vieles mehr. Alles das wird am 16. Januar in einer Bürgerversammlung öffentlich bewertet.

Sachlich ist vieles ja richtig, was Sie sagen. Emotional aber erleben es die Menschen anders. Entstanden ist so ein Bild einer Verwaltung, die sich über den Willen der Bürger hinwegsetzt. Die Frage ist doch, was kann die Stadt tun, um das zu ändern?

RODENBROCK-WESSELMANN: Ich kann nur sagen, dass jeder Ausschuss öffentlich ist, Vorlagen oder Protokolle sind im Internet zu finden. Jeder, der sich informieren will, kann das tun. Unser Rathaus ist offen. Das aber wird leider nur selten genutzt. Bürger kommen erst dann in eine Sitzung, wenn es durch die Presse oder einzelne Betroffene einen Aufschrei gibt. Wenn jemand ruft: Achtung, hier droht Gefahr. Ich erwarte von den Menschen, dass sie zuhören, wenn man ihnen etwas erklärt. Kompliziertes geht nun mal nicht einfach. Ich kann nur dazu einladen, ins Rathaus zu kommen und Fragen zu stellen. Dafür sind wir doch da.

Aber genau das sind Menschen heute nicht mehr gewohnt. Sie erwarten, dass die Information zu ihnen kommt. Die Stadt ist doch letztlich wie ein großes Unternehmen. Warum wirbt sie nicht besser für ihre Arbeit? Warum erklärt sie nicht besser, warum sie Dinge entscheidet?

RODENBROCK-WESSELMANN: Das ist durchaus unser eigener Anspruch. Möglicherweise ist dies zuletzt nicht immer umfänglich gelungen. Wie gesagt: Kompliziertes geht nicht mal eben einfach. Verkürzte Darstellungen bergen die Gefahr der Fehlinterpretation und Fehlinformation.

Hat die Stadt also ein Kommunikationsproblem?

RODENBROCK-WESSELMANN: Wir überlegen durchaus, wie wir Sachverhalte besser und nachvollziehbarer vermitteln können. Allerdings muss auch klar sein, wie politische Entscheidungsprozesse grundsätzlich verlaufen.

Das bedeutet?

RODENBROCK-WESSELMANN: Themen werden von der Politik, also im Rat, entschieden. Die Verwaltung hat den Auftrag, im Vorfeld jeweils umfängliche, beratungsreife und rechtssichere Unterlagen zu erarbeiten. Dabei müssen unsere Mitarbeiter gelegentlich Dinge verkünden, die keinen öffentlichen Beifall auslösen und auch die gewählten Ratsmitglieder teilweise gerne anders hätten. Hier ist dann eine hohe Souveränität erforderlich. Es verlangt von den ehrenamtlich tätigen Ratsmitgliedern oftmals ein sehr hohes Maß an Zivilcourage, schwierige Themen mitzutragen. Dies verdient viel Respekt.