Die Hauptverhandlung war natürlich nur ein großer Spaß, den sich Kollegen und Freunde von Peeter Wilhelm Pöld für seinen letzten Arbeitstag ausgedacht haben. Ab heute ist der Richter im Ruhestand. Neidlos muss man jedoch anerkennen, dass das Szenario perfekt inszeniert worden war. Sowohl die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Kollegen am Amtsgericht als auch die Rechtsanwälte und Gerichtsvollzieher spielten mit.
Auf der B68 der erste Schock für den Richter: Er wurde von der Polizei aus dem Verkehr gezogen und in Handschellen in den Streifenwagen verbracht. Einen Haftbefehl hatten die Ordnungshüter auch dabei – unterzeichnet vom Kollegen Michael Hunke.
Im Amtsgericht wurde Pöld in die Zelle verfrachtet und später dem Richter – dem ehemaligen Amtsgerichtsdirektor Dieter Wißmann – vorgeführt. Der berichtete dem zahlreich erschienenen Publikum zunächst, dass es sich bei der Strafkammer um ein neu installiertes Seniorengericht handele, das die Lücke zwischen Strafgericht und gesetzlicher Betreuung schließen solle.
Bordellrechnung im vierstelligen Bereich
Als Pflichtverteidiger war dem Angeklagten Rechtsanwalt Lüdeke Horn beigeordnet worden. Bierernst klärte Wißmann den Angeklagten über seine Rechte auf und ebenso ernst verlas Oberamtsanwältin Birgit Korn die Anklage. Nach der sollte der Richter im Januar das Notruftelefon des Amtsgerichts benutzt haben, weil er angeblich im Schnee feststeckte. Jugendrichter Michael Hunke hatte sich sofort auf den Weg gemacht, um seinen Kollegen zu befreien. Auch die Rechtsanwälte Gesine Uflerbäumer und Jost Heidrich waren dem Richter zu Hilfe geeilt. Der steckte dann allerdings nicht im Schnee, sondern in einem Bordell fest – und konnte offenbar seine Rechnung in vierstelligem Bereich nicht zahlen.
Gerichtsvollzieher Andreas Hanel berichtete in seiner Eigenschaft als Zeuge, dass er und Peeter Wilhelm Pöld Stammgäste in diesem Bordell seien und ihre Bonität deswegen nicht mehr überprüft werde. Zeuge Michael Hunke bestätigte, dass er seinen Kollegen nicht – wie erwartet – durchgefroren sondern eher erhitzt vorgefunden habe. Von einer Notlage habe seiner Meinung nach nicht die Rede seien können. Pölds falschem Notruf sei es zu verdanken gewesen, dass er das Buffet des Neujahrsempfangs des Anwaltsvereins verpasst habe. „Ein Schaden, der bis heute nicht gutgemacht ist“, maulte Hunke.

Der zweite Vorwurf betraf die konsequente Verweigerung des Angeklagten, mit dem neuen Aktenverarbeitungsprogramm Judica zu arbeiten. Er habe standhaft und ohne Rücksicht auf die Kolegen handschriftliche Notizen angefertigt. „Wir haben alle gelitten und hatten hohen Blutdruck und sogar Depressionen“, berichtete eine Mitarbeiterin.
Auflage: Wiener Walzer tanzen
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft fragte, ob der hohe Blutdruck nicht der zugegebenermaßen vorhandenen Attraktivität des Richters zuzuschreiben sei. Das verneinte die Mitarbeiterin energisch.
Trotz dreier Einträge im Vorstrafenregister unter anderem wegen Körperverletzung (Ehefrau beim Tanzen auf den Fuß getreten) schlug Seniorenrichter Wißmann am Ende vor, das Verfahren gegen eine Auflage einzustellen. Vor allem aufgrund der enormen Lebensleistung von Peeter Wilhelm Pöld stimmte Birgit Korn zu. Als Auflage musste Pöld dann im Gerichtssaal einen Wiener Walzer mit seiner Frau Dorothee tanzen. Dieses Mal allerdings, ohne ihr auf den Fuß zu treten.
Nachdem die Verhandlung beendet und der Haftbefehl aufgehoben worden war, ging die Gesellschaft zum gemütlichen Teil der Abschiedsfeier über. Bei einem tollen Frühstücksbuffet wurden Richter Peeter Wilhelm Pöld viele gute Wünsche mit auf den Weg gegeben – vorneweg viele schöne Jahre im Ruhestand. Die meisten Anwälte, Kollegen und Mitarbeiter lassen den 65-Jährigen, der immer sehr auf das Betriebsklima im Amtsgericht achtete, jedoch nur ungern gehen. „Sie waren vor allem durch die Medienpräsenz das Gesicht des Amtsgerichtes“, sagte Dieter Wißmann.