Dass Wilhelm Wesselmann, der frühere Borgholzhausener Löschzugführer, sich 2014 für die Initiative des NRW-Innenministeriums interessierte, hatte auch eingennützige Gründe. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der jetzt 63-Jährige bereits per Antrag eine Verlängerung seiner freiwilligen Dienstzeit erwirkt und sah den Abschied rasch näherrücken. „Es hat mir aber immer noch Spaß gemacht, anderen Menschen zu helfen. Und fit genug fühle ich mich auch", sagt er.
Nicht nur für ihn ist zudem schwer nachvollziehbar, dass die Gesellschaft sich für die Rente mit 67 entscheidet, aber bei der Freiwilligen Feuerwehr rigoros an der Altersgrenze 60 festhält. Zumal immer genug Bedarf an freiwilligen Feuerwehrleuten besteht. „Mit 60 muss man nicht mehr den Angriffstrupp auf der Leiterspitze bilden, aber Aufgaben gibt es genug", sagt Wesselmann. „Und unser Bundespräsident denkt mit 76 über eine zweite Amtszeit nach", sagt er.
Wie das Ehrenamt leichter fällt
- Die Arbeit in schwerer Atemschutzausrüstung verlangt auch jüngeren Männern (und Frauen) alles ab. Allerdings werden im Notfall viele helfende Hände gebraucht – auch Erfahrung kann Leben retten, nicht immer ist Körperkraft das entscheidende Plus. Wo jemand am besten eingesetzt werden sollte, ist aber nicht nur eine Altersfrage, sondern hängt auch von persönlicher Fitness ab.
- In einem »Potenzialananyse« genannten Test haben die Aktiven der Piumer Wehr ihr körperliches Leistungsvermögen von Experten der Sporthochschule Köln testen lassen – ebenfalls Teil des Pilotprojekts.
- Als Konsequenz gibt es jetzt eine Feuerwehr-Sportgruppe, die regelmäßig gemeinsam ins Fitnessstudio geht. Die Stadt unterstützt dieses Training ihrer Feuerwehrleute übrigens mit einem kleinen Beitrag. Denn klar ist, dass fittere Retter bessere Helfer in der Not zwar nicht sein müssen – aber leicht sein können.

Menschen sollen entscheiden können wann Schluss ist
Ganz so lange sieht auch er die freiwillige Arbeit im blauen Rock nicht mehr als sinnvoll an. Doch dass die Menschen selbst entscheiden können und sollen, wann Schluss damit ist, findet er selbstverständlich. Deshalb überzeugte er seinen Wehrführer Udo Huchtmann davon, dass Borgholzhausens Feuerwehr am Pilotprojekt des NRW-Innenministerium teilnehmen sollte, das sich die Förderung des Ehrenamts gerade in der Feuerwehr zur Aufgabe gesetzt hat. Die Piumer Wehr ist dabei die einzige aus dem Regierungsbezirk Detmold.
Seit einem Jahr wird an einem neuen Modell für Feuerwehren gearbeitet. Ganz praktisch, bei den zehn teilnehmenden Wehren in ihrem Alltag vor Ort. Und in regelmäßigen Sitzungen von Feuerwehrleuten mit Vertretern des Ministeriums. „In Borgholzhausen gibt es bereits fünf Aktive, die älter als 60 sind. Und zwei, die schon 63 sind", konnte Wilhelm Wesselmann dabei berichten.
Gestern Abend war eine kleine Borgholzhausener Feuerwehrdelegation in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Zusammen mit anderen Teilnehmern des Pilotprojekts waren sie Teilnehmer eins parlamentarischen Abends mit Abgeordneten und Ministerialen. Mitte bis Ende des nächsten Jahres soll aus den Ergebnissen vielleicht ein neues Gesetzeswerk werden, das in Nordrhein-Westfalen die »Frühverrentung« von Freiwilligen Feuerwehrleuten stoppt. Eine nach oben offene sogenannte Laufbahnverordnung könnte das Ergebnis sein – und zum bundesweiten Trend werden. Das Interesse an der Ehrenamts-Idee aus Nordrhein-Westfalen ist offenbar auch in anderen Bundesländern sehr groß.
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