
Theorie und Praxis sind noch lange nicht dasselbe
Thorsten und Gisela Seidel über die derzeitige Situation in den Schulbussen
¤ Borgholzhausen (asr). Zum
Beginn des Schuljahres
2020/2021 arbeitete der Kreis
Gütersloh mit den Kommunen
und dem Verkehrsverbund
OWL (VVOWL) Konzepte zur
Verbesserung des Infektionsschutzes
im Schülerverkehr aus.
Die Busse waren überfüllt, auf
gut frequentierten Linien wie etwa
zwischen Versmold und der
Gesamtschule Borgholzhausen
standen die Schüler in Reihen
auf den Gängen. Es herrschte
zwar Maskenpflicht, aber Abstände
waren nicht einzuhalten.
Viele verärgerte Eltern gingen
auf die Barrikaden.
Das Land NRW stellte Fördermittel
für Zusatzfahrten in
der Schülerbeförderung bereit.
Besonders hochfrequentierte
Linien standen auf der
Projektliste weit oben. Um
Prioritätenzu setzen, überprüften
Busunternehmen und Profitester
regelmäßig die Schulbusse
und zählten die Passagiere.
Für jede Schule sollte ein
passgenaues Konzept her.
„Wir setzen seitdem zwei
Busse mehr ein“, so Thorsten
Seidel von der Firma Leeker in
Borgholzhausen. Einer unterstützt
die Linie 90 zwischen
Versmold und Borgholzhausen,
ein anderer die Linie 93
zwischen Oesterweg und Borgholzhausen.
„Die beiden Busse
Thorsten und Gisela Seidel sind der Meinung, dass sich die Situation in den Schulbussen leichter entzerren
ließe, als mit zusätzlichen Bussen. FOTO: ANKE SCHNEIDER
fahren sozusagen hintereinander
her, damit sich die Schüler
auf zweiBusseaufteilenkönnen“
so Seidel.
Was in der Theorie eine einfache
Matheaufgabe ist, ist in
der Praxis in die Köpfe der Kinder
und Jugendlichen jedoch
nicht hineinzubekommen, hat
Thorsten Seidel festgestellt. Die
Schüler steigen an den Haltestellen
in den überfüllten Bus,
obwohl sie auch einen leereren
nehmen könnten. „Entweder,
weil der eine Bus W-LAN
hat und der andere nicht, weil
in dem einen Bus die Freundinnen
sitzen, oder weil der
zweite Bus fünf Minuten später
kommt und man deshalb
morgens ein paar Minuten länger
schlafen kann“, zählt er die
Gründe auf, die junge Menschen
dazu bringen, in den volleren
Bus einzusteigen. Nach
Ansicht des Busunternehmers
könnte man die Situation ganz
leicht entzerren, wenn man die
Schulzeiten staffeln würde.
„Die erste Klasse beginnt beispielsweise
um 7.30 Uhr, die
zweite um 7.50 Uhr und die
dritte um 8.10 Uhr“, schlägt er
vor.Dannkönnte der Bus mehrere
Runden drehen und hätte
immer nur ein oder zwei Schulklassen
an Bord. „Das wäre für
den Schulträger auch nicht so
teuer, denn am Steuer des gleichen
Busses würde immer der
gleiche Fahrer sitzen, der ja sowieso
da ist“, so Thorsten Seidel.
Nun habe er zusätzliche
Fahrer einstellen müssen, die
nur eine Stunde täglich arbeiten,
um die zusätzlichen Busse
zu fahren. „Und die zusätzlichen
Busse muss ein Unternehmer
ja nun auch erst einmal
haben.“
Was gut klappt ist das Aufsetzen
der Masken. „Damit hat
es von Anfang an keine Probleme
gegeben“, lobt Thorsten
Seidel die jungen Fahrgäste.
Dennoch appelliert er an die
Verantwortlichen, sich über die
starren Schulzeiten Gedanken
zu machen. „Nicht nur wegen
Corona“, so der Unternehmer.
Stehende Kinder in Schulbussen
seien auch ohne Virus
in dem Fahrzeug nicht sicher.
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